asdf
 

Der Unangepasste aus dem Innviertel

SCHAUSPIELHAUS / JÄGERSTÄTTER

06/11/17 Das brillante Ensemble des Salzburger Schauspielhauses macht aus Felix Mitterers Drama „Jägerstätter“ einen denkwürdigen Theaterabend.

Von Werner Thuswaldner

Die Geschichte des Innviertler Bauern Franz Jägerstätter (1907-1943) eignet sich ausgezeichnet dafür, um eine Fülle heikler Fragen zu stellen. Der Radikal-Christ hat aus religiöser Überzeugung den Kriegsdienst verweigert und wurde dafür hingerichtet. Seine Lebensgeschichte und sein Ende mobilisieren heftige Reaktionen. Damit nicht genug, auch die posthumen Einschätzungen seines Falls sind aufschlussreich. Fest steht: Der Stoff ist ergiebig für Film und Theater. Einen der wichtigsten Filme darüber drehte 1971 Axel Corti, eine Oper von Pavel Smutný wurde 2007 in Graz gespielt. Und ein Stück von Felix Mitterer, der sich nach anderen Autoren ebenfalls mit Jägerstätter befasste, kam 2013 heraus. Mitterer erzielt damit, wie die Premiere im Salzburger Schauspielhaus am Samstag zeigte, prägnante Bühnenwirkung.

Um Eindruck zu machen, hätte es Regisseur Peter Raffalt allerdings gar nicht nötig gehabt – vor allem anfangs –, so viel Lärm und Geschrei zu machen, die Abfolge der knappen Szenen, die ein breites Spektrum brisanter Themen antippt, macht Eindruck auch ohne – zumal Raffalt ein ausgezeichnetes Ensemble zur Verfügung steht. Mehrere Facetten des Charakters Jägerstätters werden aufgefächert, ohne dass es möglich wird, zu einer eindeutigen Einschätzung zu gelangen.

Andere haben sich mit den Machtverhältnissen arrangiert, Jägerstätter – mit dem Hinweis auf seine christliche Glaubensüberzeugung – nicht. Damit beschämt er die anderen Dorfbewohner und vor allem die kirchlichen Obrigkeiten. Die Mitläufer versuchen, ihn umzustimmen, zunächst auch seine Frau. Vergeblich. War er ein Fanatiker? Hat er sich mit seiner Haltung gegenüber der Familie schuldig gemacht? Das schnelle Urteil führt zu nichts. Die Todesdrohung, begleitet von Misshandlungen im Gefängnis, spitzt sich zu. Die Nerven des Publikums werden nicht geschont.

Um den Fall abzuhandeln, genügt ein kahler Raum mit vielen Türen und schmutzigen Wänden (Bühne: Vincent Mesnaritsch). Raffalt konzentriert sich mit seinem Team auf die klaren, aussagekräftigen Texte. Theo Helm in der Titelrolle gestaltet seinen Part unsentimental und kraftvoll. Widersprüchliches in der Figur wird sichtbar. Helm hat sich einen wirksamen Sprachduktus angeeignet, der immer wieder am Dialekt anstreift. Magdalena Oettl als Jägerstätters Frau lässt die Emotionen hochkochen und formt einen überzeugenden Charakter. Vielleicht kommt ein bisschen zu wenig zum Ausdruck, dass diese Frau ihren Mann mit maßlosem religiösen Eifer übertroffen und damit die fatale Entwicklung beschleunigt hat.

Nebenbei: Wem ist es denn eingefallen, den Jägerstätters einen modernen Kinderwagen an die Hand zu geben? Sehr befremdlich.

Das Stück sieht eine Reihe kleinerer Rollen vor, die aber allesamt dankbar sind, weil sie durchwegs mit wirksamen Auftritten verbunden sind. Dies gilt für Daniele Enzi (Jägerstätters Mutter), Kristina Kahlert (Mutter eines ledigen Kinds von Jägerstätter), Anthony Connor (Oberlehrer), Harald Fröhlich (Oberst mit menschlichen Zügen), Magnus Pflüger (Pfarrer), Simon Jaritz (Bürgermeister) Matthias Hinz (gewiefter Anwalt) und Marcus Marotte (Bischof). Sie sind alle keine Typen, haben Individualität, die Regie vermeidet Schwarz-Weiß-Zeichnung. Zwischen Wehrmacht und Parteiführung wird deutlich unterschieden. Auch der Klerus vertritt keine einheitliche Haltung. Der Bischof freilich brachte der Kirche wenig Ruhm ein. Josephus Calasanz Fließer in Linz gehörte zu jenen, die es mit Wohlwollen sahen, dass die Deutschen gegen die gottlosen Bolschewisten kämpften. Und nach dem Krieg sprach er den Soldaten im Unterschied zu den Verweigerern aus Gewissensgründen höchstes Lob aus.

Das Schauspielhaus liefert mit dieser sehr sehenswerten Produktion eindrucksvolle Beweise für eine Aufstockung des darstellerischen Potentials.

Aufführungen bis 2. März 2018 – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Jan Friese

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014