Herr Argan ist halt eine Frau

KAMMERSPIELE / DER EINGEBILDETE KRANKE

12/05/10 Er steht derzeit hoch in Kurs am Ort, der junge Regisseur Rudolf Frey. Sowohl das Landestheater als auch das Schauspielhaus binden ihn an sich. Im Fall der neuen Moliere-Produktion in den Kammerspielen stellt sich aber doch die Frage, ob Frey nicht zuvor im Off-Bereich Erfahrung sammeln sollte.

Von Reinhard Kriechbaum

altRecht selbstbewusst geht Rudolf Frey ran an den „Eingebildeten Kranken“. Glaubt er, Molière nachbessern zu müssen? Im kalten Neonlicht eines schmucklosen weißen Raums büßt die Story in einer seltsam schrill-überdrehten und dann doch wieder bemerkenswert witzlosen Variante ihren Charme ein.

Ein Glas-Regal läuft rundum im Zimmer des Hypochonders Argan. Es ist ziemlich hoch montiert. Der Arme braucht eine Stehleiter, um an die dort aufgereihten Medikamente zu kommen. Das zeigt, dass der Patient so hinfällig nicht sein kann. Drei Türen gibt es, und sie führen offenbar alle in denselben Nebenraum. Jedenfalls ist kein System auszumachen, wer von wo kommt. Könnte es sein, dass dieses Zimmer – die häusliche Krankenstation – so etwas ist wie der Internierungsraum für den Medizin-Irren, der hier separiert wird, dem man etwas vorspielt und den alle überdeutlich spüren lassen, dass sie ihn nicht ernst nehmen?

altEine Liege, ein Tisch. Nichts hier kann ablenken von Pillen und Klistieren. Wie Karikatur-Versatzstücke schneien die Protagonisten herein. Das Dienstmädchen Toinette (Anna Christina Einböck) in kessen Hot Pants hat gute Chancen zur schauspielerischen Entfaltung. Tim Oberließen ist der linkische Heiratskandidat. Britta Bayer darf eine aus den sechziger Jahren übergebliebene modebewusste Dame spielen, die im Krankenzimmer wenig Charme, dafür viel Desinfektionsspray verströmt. Volker Konradt übernimmt die Rolle der Ärzte mit selbstbewusster Attitüde. Shantia Ullmann (Angélique) und Matthias Hungerbühler (Cléante) sind das verliebte Paar und verhalten sich entsprechend. - All das wirkt leidlich synchronisiert, aber die Figuren wollen nicht recht zueinander passen.

altWarum eigentlich hat man die Hauptrolle des Argan mit einer Frau besetzt? Das erschließt sich absolut nicht. Brigitte Karner ist auf Mann hergerichtet, pendelt im Ton zwischen hysterischer Schrillheit einer pubertierenden Göre und einem eher viril-rauen Tonfall (da versteht man sie nicht gar so gut). Nach der Pause, wenn Béralde (Christoph Wieschke) seinem durchgeknallten Bruder Argan ins Gewissen redet und ihm Ärzte und Medizin madig machen will, kommt plötzlich ein wenig Ernsthaftigkeit hinein, Ruhe und sogar ein Anflug von schauspielerischem Ehrgeiz. Ah, merkt man, der Regisseur steuert von der Karikatur ins Ernsthafte!

Das war's aber auch schon. Vielleicht sollte man Rudolf Frey den Rat geben, vor seinem nächsten Molière-Versuch ein paar gute Aufführungen anzuschauen und auch über Molières Dramaturgie nachzudenken. Der Bursche war, was das betrifft, nämlich gar nicht so untüchtig.

Aufführungen bis 2. Juni - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Jürgen Frahm