Lauter Selbstmorde und keiner schaut zu
MACHT.SCHULE.THEATER / ABWÄRTS / KLEINES THEATER
26/04/10 Selber geschrieben, entwickelt und auf die Bühne gebracht: 45 Schülerinnen und Schüler aus Salzburg, Hallein und Bad Hofgastein waren an dem Projekt „Abwärts“ im Rahmen der Aktion „Macht.Schule.Theater“ im Kleinen Theater beteiligt.
Von Heidemarie Klabacher
„Selbstmord … Eigentlich ein schönes Wort, würde das, was sich dahinter verbirgt nicht so schrecklich sein und würde ich nichts damit zu tun haben…“ Das ist so ein Satz, der hängen bleibt. Oder: „Ich habe schon oft daran gedacht mich umzubringen. Wieso? Weil ich mir denke, wieso ein Leben leben, wenn ich es nicht perfekt kann...“
Ein Thema, zwei Zugänge: 15 Schülerinnen und Schüler aus Bad Hofgastein haben Nick Hornbys Roman „A Long Way Down“ (vier Selbstmordkandidaten treffen sich auf einem Hochhausdach) gelesen, in „pon- und pinzgauerische Sprache übersetzt“ und sich Fragen gestellt wie: Welche Bilder löst das Thema „Gewalt gegen sich selbst“ aus? Wie können wir diese Bilder abstrakt umsetzen? Muss immer alles gesagt werden, oder reicht es auch, es nur in körperlichen Aktionen zu zeigen? Und darf die Körperlichkeit dem Gesagten widersprechen? Daraus ist unter der Leitung von Caroline Richards und Elisabeth Nelhiebel das Stück „Abwärts“ entstanden.
In Hallein haben dreißig Schülerinnen und Schüler zunächst eigene Texte zum Thema Auto-Aggression geschrieben und aus diesem Material Szenen für die Bühne erarbeitet. Wichtige Fragen waren auch dabei: Was wollen wir zu diesem Thema aussagen? Wie stehen wir zu dem Umstand, dass sich junge Leute aus verschiedenen Gründen dafür entscheiden, sich ihr Leben selbst zu zerstören oder sich sogar das Leben zu nehmen. Unterschiedliche Gründe wie Gewalt in der Familie, Liebeskummer, Selbstzweifel oder Perfektionismus wurden hierbei beleuchtet.
Bei der Premiere am Mittwoch (21.4.) im Kleinen Theater, wo die ambitioniert gespielten Stücke uraufgeführt wurden, ist - leider - vor allem ein Teil des jugendlichen Publikums durch Zwischenrufe, Kommentare und Lärm aufgefallen.
Als erwachsene Zuschauerin, gewohnt auf die Leistung der engagierten Jugendlichen auf der Bühne zu achten, fragte man sich angesichts der auffallenden Störungen: Ist das Thema „Selbstmord“ doch nicht so relevant und allgegenwärtig, wie die darauf konzentrierten Szenenfolgen vermuten ließen? Sind Jugendliche in erster Linie einmal neugierig auf das Leben und führt das konzentrierte Selbstzerstörungs-Destillat an der Lebenswirklichkeit vorbei? Trivialer: Nervt das Gelaber?
Oder sähen Jugendliche im Theater lieber ausgewachsene Schauspieler und Schauspielerinnen auf der Bühne, statt „ihresgleichen“? Die Frage könnte treffen, waren die Stücke tatsächlich vor allem auf „Ganz-selber-sein-Dürfen“ hin ausgerichtet und nur in wenigen Szenen auf Abstraktion oder reflektierende Distanz. Freilich waren auch auffallende Charakterköpfe und brillante Darsteller dabei, an denen man zumindest als Erwachsener größtes Vergnügen hatte, wie etwa an dem kleinkugeligen König, der sich selbst und seinen Diener spielte…
Oder hätten sie gerne ganz einfach ein wenig Poesie? Aus Betroffenheit und/oder Sendungsbewusstsein allein, ist noch nie "Kunst" entstanden...
Oder ist das einfach der ganz normale Ton junger Leute untereinander? Dann müssten sie schleunigst erfahren, dass "man" im Theater üblicherweise zuhört, egal wer oben auf der Bühne steht und dass „man“ Missfallen an einer Produktion erst am Ende äußert. Ein wenig Mut zur Kürze könnte man von den - erwachsenen - künstlerischen Leiterinnen einfordern. Sonst gab es aber keinen Grund für so lautstark demonstriertes Desinteresse.