Eine junge Bohème, frisch und berührend
LA BOHEME / UNIVERSITÄT MOZARTEUM
12/06/12 Giacomo Puccinis ewig junge „Bohème“ ist eigentlich kein Drama für reife Opernstars, sondern eines für junge Leute. Was liegt näher, als das Stück über das hungrige Künstlervolk und seine Musen im Rahmen einer Musikuniversität zu produzieren?
Von Gottfried Franz Kasparek
Natürlich, wenn man sich für das Original entscheidet, braucht man braucht dazu ein großes, farbenreiches Orchester. Aber Gernot Sahler hat das Uni-Orchester gut im Griff, setzt auf effektvolle Dramatik, korrespondiert gut mit der Bühne und ist überhaupt ein versierter Kapellmeister, wie er im Buche steht. Die feinen, impressionistischen Farben der Partitur kommen punktuell sogar zum Vorschein. Leider ist die Akustik im Großen Studio etwas knallig, was das Orchester betrifft – ein Resonanzboden im Graben könnte abhelfen.
Höchst professionell schlugen sich der Chor „Musicacosi“ – mit Bekannten aus dem Landestheater - und der Kinderchor, einstudiert von Silvia Spinnato und Wolfgang Götz. Das zwischen burlesker Komik und tiefer Tragik so wundersam ausbalancierte Stück spielt bei Bühnenbildnerin Anna Schöttl und Kostümbildnerin Susanne Leitner nicht in einem romantischen Quartier Latin, sondern in einer kubischen, modernen Pariser Dachlandschaft.
Die Bohèmiens sind ins Heute gewendete, schräge Vögel. Zwischen ihnen und der feinen Gesellschaft klafft im Café Momus ein spürbarer Graben, den nur Musette skrupellos überspringt. Das alles funktioniert dank der Zeitlosigkeit der Geschichte bestens und ein wenig Schneefall sorgt für Stimmung. So kam im Verein mit der im besten Sinne werktreuen und lebensprallen, im Finale gebührend anrührenden Regie von Hermann Keckeis wieder einmal ein Opernabend der Universität Mozarteum heraus, der jedem guten Landestheater zur Ehre gereichen würde.
In den vier Vorstellungen sind zwei Besetzungen zu erleben. In der Premiere war Nutthaporn Thammati als Dichter Rodolfo zweifellos der Star des Abends, ein bei all seiner Rundlichkeit agil und jungenhaft wirkender Tenor aus Thailand. Geradezu bronzen glänzendes Timbre, die rechte Mischung aus zarter Lyrik und energischem Auftrumpfen, eine wahrlich strahlend aufblühende Höhe – der junge Mann möge dies pflegen und vielleicht doch ein wenig auf die Linie achten, dann sollte einer großen Karriere nichts im Wege stehen.
Seine belgische Mimi, Alice Depret, passt in ihrer Zerbrechlichkeit perfekt und singt mit oft schön abgedunkelter, persönlich gefasster, noch viel versprechender Sopranstimme. Natsumi Uchi mit hellem Soubrettensopran ist als Musette eine wahre Bühnenexplosion, so viel Temperament und Sinnlichkeit, Kratzbürstigkeit und Koketterie bringt sie auf die Bühne – um im Finale glaubwürdig schlicht zu helfen und zu trauern. Im Kavaliersbariton des aus Island stammenden Aron Cortes (Marcel) schlummert noch Potential, als vifer Maler besitzt er Ausstrahlung. Audrius Martisius (ein eher rockiger Musiker Schaunard) und Samo Lampichler (der passend skurrile, stimmlich schön artikulierende Philosoph Colline) komplettieren das Künstlerquartett qualitätsvoll. Manuel Millonig (Benoit) ist ja schon so etwas wie der gern gesehene „Hauskomiker“ der „Uni-Oper“ und auch Rupert Grössinger (Alcindoro), Benjamin Popson (Parpignol) und Latchezar Spasov (Sergente) stellen konturierte Figuren dar.
Überlegen sollte man auch am Mozarteum eine Übertitelung, welche dem in Sachen Oper nicht so versierten Teilen des Publikums helfen könnte, all die Feinheiten nicht nur italienischer Texte zu verstehen – zumal wenn ein Libretto so gut ist wie dieses. Großer Jubel – hingehen, ansehen und vor allem anhören!