Parzivals Vögel und Maos Spatzen

HOFHAYMER-FESTTAGE / PARZIVAL TODAY

12/10/24 Das Konzept ist sympathisch mit sehr freundlichem Entgegenkommen der Unrast des heutigen Menschen gegenüber. In komprimierter Kürze gibt es Information zum Werk und seinen Inhalt mit dem Anflug von Reflexion. Der Titel hätte auch Parzival in gut einer Stunde lauten können.

Von Erhard PetzEL

Wolframs Parzival im Schnelldurchgang als Parzival today mit unterschiedlichen Facetten von Musik: Damit hat am Freitag (11.10.) im Toihaus das Festival für ganz alte und ganz neue Musik der Internationalen Paul Hofhaymer Gesellschaft begonnen. Konzept, Texte (soweit nicht gesungene Originale Wolframs), Dramaturgie und Videos für Einspielungen auf einer zentral platzierten Leinwand stammen von André Hinderlich, der persönlich den Sprecher stellt und durch die Handlung führt. Das immer auch aus der Perspektive Parzivals, sodass sich organisch ein Kommentar zum Geschehen einstellt. Ideengeber ist IPHG-Chef Philipp Lamprecht, dem auch die musikalische Leitung obliegt und der fleißig nicht nur die Trommeln rührt.

Ouvertüre ist das Stück 1 für fünf Performer von Manuel Zwerger, wie die anderen eingebauten ganz neuen Werke ganz aktuell aus 2024. Die fünf Leute folgen dem Weg gespannter Nylonschnüre, die sie mit den Fingern reiben. Da diese meist in Membranophonen landen, entstehen große Klänge, wie von modifizierten Streichinstrumenten. Damit wandern die Performer in Abständen den Raum aus, Schlagwerk gesellt sich dazu. Diese augenscheinliche Wegsuche leitet über in Lebensfragen des Sprechers als Parzival. Sie münden in die Problematik von Ritterschaft. Die Geschichte seines Vaters Gahmuret wird angerissen und leitet die folgende Musik ein. Lamprecht begleitet sich selbst als Epensänger mit der Drehleier zu einem Gesang um die Episode zwischen Gahmuret und Herzeloide, seiner zweiten Frau und Mutter Parzivals.

Traumatisch der Verlust des Vaters, der auf Heldenmission sein Leben lässt. Herzeloide geht mit ihrem Söhnchen in den Wald, um sich zu isolieren und eine Idee von Ritterschaft erst gar nicht aufkeimen zu lassen. Als Parzival auf die singenden Vögel reagiert (erschüttert durch den Tod, als er mit Pfeil und Bogen schießt), will die kontrollsüchtige Mutter alle Vögel umbringen lassen, was natürlich nicht funktioniert. Aber auf der Projektionswand gibt es in Schleife eine dokumentarische Aufnahme aus China unter Mao, als die Spatzen vernichtet werden. Grausig beeindruckend und eine starke Realisierung der Hybris menschlichen Wesens im Politischen, was im Roman aus dem Hochmittelalter in erstaunlicher Differenziertheit auch angelegt ist. Es sind vor allem diese menschlich einschneidenden Momente, die aus der Inhaltsangabe herausgearbeitet sind und die Erzählung färben, während sonst ganz großzügig vorgeprescht werden kann.

Selbstverständlich kommt auch die Erzählung um Gawein zum Zug, als Gegenpol und Modell zum Vergleich. Hier der perfekte Ritter auf perfektem Pfad, dort der durch die Mutter kulturell Verwahrloste, der ständig aus Dummheit schuldig wird, in peinliche Fehler tappt und selbst nach Unterweisung bei guten Lehrern wie Gurnemanz nicht genügt. Der sich von Gott los sagt, bis er in Trevrizent den Beistand findet, der ihn wieder auf Spur bringt. Und gerade dieser erschütternde Leidensweg macht den danach zu Empathie besonders befähigten Parzival zum Nachfolger des Amfortas. Sogar die Geschichte von Halbbruder Feirefiz findet Platz. Nach dessen Taufe schließt sich der Kreis im Spiel mit den Nylonschnüren, die diesmal von der Winkelharfe im Zentrum der Bühne ausgehen und eine medidative Weite verbreiten.

Der Jahrzehnte währenden Tradition der Hofhaymer-Gesellschaft gemäß stehen Musiken aus dem 12., 13. und 15. Jh und dem Codex Montpellier ganz aktuelle Kompositionen von Matthias Leboucher und Hannes Kerschbaumer gegenüber, in die auch die historische Traversflöte von Johanna Bartz und die historische Harfe von Vincent Kibildis eingebunden werden. Wie selbstverständlich performt, wer sein Instrument bedient. Wenn sich auch das Zeitgenössische zwischendurch etwas kompakter ausgestaltet haben könnte, darf man dieser Produktion eine sehr geglückte Balance zwischen Werk-Vermittlung und Konzerterlebnis in harmonisch-künstlerischer Ausgestaltung attestieren. Der Begeisterung spiegelnde Beifalls gab dem Unternehmen Parzival today recht.

Die Festtage 2024 dauern noch bis morgen Sonntag (13. Oktober) – www.hofhaymer-society.at

Bild: Internationale Paul Hofhaymer Gesellschaft