Indiana Jones auf Weisheits-Trip

LANDESTHEATER / ZAUBERFLÖTE

08/03/21 Zoff und Betrug beim Ritual. Das ist der Quell des Hasses zwischen Königin der Nacht und Sarastro. Er hat einst Kleinod und Macht kassiert. Nun liegt der Weisheits-Tempel in Trümmern. Fehlt ja doch die weibliche Hand. „Dystopisch“ nennt man Szenarien nach dem Weltuntergang in Film und Literatur. Dem Zaubermärchen raubt die Dystopie den Glanz.

Von Heidemarie Klabacher

Wird die aktuelle Zauberflöte des Landestheaters mit Kopfhörer am Bildschirm sitzend, also wie vorgesehen und vorgeschrieben „konsumiert“, entzieht sie sich der Kritik. Es fehlt dem Klang der Glanz, dem musikalischen Atem der organische Grundschlag. Darüber, und noch über viel mehr, verfügt das Mozarteumorchester. Das weiß man. Immer wieder fragt man sich also, Knopf im Ohr, wie klingt das Mozarteumorchester im menschenleeren Theatersaal tatsächlich? Nun es geht aber, Krise hin, Corona her, bei einer Streaming-Produktion nicht um das, was sein könnte, sondern um das was ist. Deshalb irritiert diese Zauberflöte in ihrer Disparatheit. Aber natürlich gilt: Jedes Lebenszeichen ist wichtig und verdient Respekt. Es ist eine riesige Herausforderung für ein Haus wie das Salzburger Landestheater, plötzlich auch sein eigener Video-Produzent sein zu müssen.

Einzelne schöne Holzbläser-Passagen (Zauberflöte) klingen jedenfalls so vielversprechend, wie einzelne Gesangspassagen (etwa in den Parts von Papageno und Pamina). Solche Momente relativierten die Zweifel an der Qualität der Ton-Übertragung oder der eigenen Kopfhörer.

Das von Musikdirektor Leslie Suganandarajah durchwegs zwischen flott und überhastet genommene Tempo freilich kommt „original“ aus dem Orchestergraben (am Wiedergabe-Geschwindigkeits-Knopf wurde jedenfalls nicht gedreht). So hasten etwa Tamino und der Sprecher mit ihrem ohnehin gestelzten Palaver vor dem Tempel dem Tempo steif und atemlos hinterher. Noch weniger Chance auf organisches Atmen haben die drei Knaben. Wie stark sein muss er sein, der Anblasdruck der Zauberflöte?

Andreas Hörl als Sarastro hat profunde Tiefe. Nur geht Klangpracht auf Kosten von Sprachfluss, denn die prächtig gerundeten Vokale verschmelzen zu einem dunkelwolkigen Einheits-Selbstlaut. David Fischer ist ein jugendlicher Tamino mit mehr Heldenkraft als Liebesschmelz.

Den Herausforderungen der Partie der Königin der Nacht wird Alina Wunderlin technisch gerecht. Laura Incko als Pamina ist die eine Lichtgestalt, George Humphreys als Papageno die andere: Kein Wunder, dass die beiden heftiger miteinander turteln, als Schikaneder erlaubt. Laura Barthel ist eine kecke Papagena, die ihr „pa pa pa“ fröhlich schleudert, Franz Supper ein echt cooler Monostatos.

Das Bühnenbild von Christian Tabakoff ist eine Ruine grau in grau, wie der Wald, der sie umgibt, die Kostüme Dorothee Joisten passen dazu.

Die Regie von Christiane Lutz zeigt sich am Anfang und am Ende: Sarastro „bescheißt“ in der Ouvertüre die Königin der Nacht beim gemeinsamen Ritual. Die jungen Leute, Tamino und Pamina, lassen sich auf Machtspiele gar nicht ein und übergeben das Symbol der Macht den drei Knaben.

Die Zauberflöte ist bis 4. April als online-Stream zum Preis von 9 Euro verfügbar - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: LT / Anna-Maria Löffelberger