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Rabenmütter mit gestutzten Flügeln

WINTERFEST / RAVEN

18/12/19 still hungry zeigen sich Lena, Romy und Anke als Artistinnen mit der Herausforderung der Mutterschaft. Rabenmutterschaft? Raven entfaltet schwarze Flügel für ein belastetes Abheben. Die ARGEkultur ist diesmal der Kreisssaal des Winterfests.

Von Erhard Petzel

Anke von Engelshoven, Lena Ries und Romy Seibt meinen es ernst mit der Aussage ihrer Performance. Sie tragen ihre Vornamen auf der Bühne und erzählen von sich, wenn sie nicht gerade in fantasievollen Kostümen Rollen spielen. Sie sind zusammengespielt aus gemeinsamer Artistenvergangenheit. Eine jede ist zweifache Mutter. Sie bieten zwar Szenen zum Lachen an, aber es ist auch klar, dass hier Trauerarbeit auf offener Bühne stattfindet. Spürbar wird der Schmerz des Widerspruchs, der darin liegt, sich und die Ansprüche an seine persönliche Entfaltung mit der Herausforderung zur Deckung zu bringen, die im Großziehen des eigenen Nachwuchses liegt.

Die Trauer der Überforderung, sowohl sich wie den Kindern gerecht zu werden, wird im Publikum verstanden. Es ist ein altes Dilemma, das in seiner Unlösbarkeit tragikomische Konsequenzen zeitigt. Zunächst präsentiert sich jede der drei Frauen als Spezialistin auf Seil, Schlangenkörperkür auf dem Boden und im Schlaufentrapez zu gefälligem Sound. Aber schon der erste Ansagen-Durchgang bringt die persönliche und familiäre Situation aufs Tapet. Ein gelbes Sofa wird zum Ort von Beziehungskisten und dient als Untergrund für selbsterklärende Situationsakrobatik.

Hausfrauen-„Freuden“ finden ihre überhöhte Steigerung durch Babypuppengeburten und –bemutterung samt Stillchoreographie. Nach absolvierter Glucken-Dynamik der Versuch, zum Discobeat im Wirbel der Freiheits-Sehnsucht abzuheben.

Aber der Wäscheberg verhindert jedes Gipfelhochgefühl, das virtuos geschleuderte Seil zieht sich bedrohlich beengend um den Hals. Einwürfen als Vorwürfe folgt die Nabelschau auf den Körper mit seinen absurd über die Oberfläche hin durch die Unterwäsche verschiebbaren Hautlappen. Es gibt wohl keine Couch sonst, die solche Stellungen gesehen hat, um die abgelegensten Körperteile und -punkte zu inspizieren. Die sprichwörtliche Verrenkung, um sich zu kratzen – hier wird sie Ereignis. Aber Sofaplatz muss für alle drei müden Mütter sein samt Puppenkind, das nach Möglichkeit abgeschoben wird. Der Huder-Stress artet in eine Rave-Performance aus, bis das Muttertier mit einer Babypuppen-Invasion zugemüllt ist.

Prompt meldet sich die Agentur telefonisch und erwartet die Erfüllung nicht eben familiengerechter Bedingungen für den lang erwarteten und heiß ersehnten Job. Krabat-mäßig verwandeln sich die drei in schwarze Raben und unterstützen sich beim Luftzirkus am Seil, um letztlich ihren Absturz bedauern zu müssen. Der droht sowohl beruflich wie mit den Kindern und in der Beziehung. Aber so kann es freilich nicht einfach enden. Wenn schon kein Happy End, dann doch so etwas wie stille Versöhnung. Dazu gibt es eine Projektion auf kleiner Leinwand mit den Kindern. Wer solche interviewt, ist selbst schuld. Wenn aber die Kleinen und die fast Halbwüchsigen Anteil am Beruf ihrer Mütter nehmen, indem sie selbst Zirkusstücke vollführen, weht Trost über die Szene und so etwas wie Glück.

Und Stolz. Der ziert die Mütter wie eine lichte Aura. Und er umspült die Artistinnen im Bad des Applauses.

Zwei weitere Aufführungen am 18. und 19. Dezember, jeweils 20 Uhr in der ARGEkultur – www.winterfest.at
Bilder: Winterfest / Erika Mayer

 

 

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