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UNI MOZ / URAUFFÜHRUNG PIPPI LANGSTRUMPF-OPER

29/10/19 „Hab keine Angst, ich komm immer zurecht.“ Eine zentrale Haltung zur Kinder- und Elternstärkung in der Uraufführung von Pippi Langstrumpf, einer Familienoper von Nils Urban Oestlund - uraufgeführt im Theater im KunstQuartier.

Von Erhard Petzel

Astrid Lindgrens Figur des unverwüstlichen Mädchens Pippi Langstrumpf hat inzwischen Generationen in Buch und Film begleitet. Das Aufbegehren gegen Kriegshörigkeit und Nachkriegsmief mag seine Brisanz verloren haben, die Tugend der Aufmüpfigkeit scheint aber heute wieder vermehrt Bedeutung zu erlangen. Damit steigt Pippis Kurs als Ikone gegen eine konsumgesättigte Normkultur, in der das Ausbrechen aus Schablonen zwar ständig formuliert, aber nur innerhalb der Grenzen von Businesstauglichkeit tatsächlich akzeptiert wird. DrehPunktKultur besuchte die Genralprobe: Pippi lebt das Chaos als vitales Prinzip. Und sie ist keine reale Figur, sondern Projektionsfläche für Wunschvorstellungen. Damit wird das Theater der ideale Ort zu ihrer Visualisierung. Die Gleichförmigkeit eines Kleinstadtlebens nimmt im Loop zu Beginn der Pipp Langstrumpf-Oper von Nils Urban Oestlund groteske Züge an.

Die zwei Polizisten (Johannes Hubmer, Nils Tavella) reagieren mit Verbotstafeln, Sexismus und Kuchen auf Kinderunfug. Aus dem Wunsch von Annika (Tamara Obermayr/Zsófia Szabó) und Tommy (Bryan Chong) nach Belebung des nachbarlichen Anwesens erwächst die bizarre Welt Pippis. Eine bunte Brücke und die seitlichen Stiegen umrahmen die Villa Kunterbunt, die Baumstrünke zum Sachensuchen sind einfach darunter, der kleine Onkel (Silvio Junger) verbindet auf dem Akkordeon die Veranda mit dem Orchestergraben und die Polizisten können so herzhaft wie vergeblich verfolgen. Lisa Behensky verantwortet dieses in seiner Einfachheit für alle Szenen wirksame Bühnenbild. Virtuos die Dauerkraftakte der offenbar ADHS-belasteten Pippi-Darstellerinnen (Silvia Moroder/Electra Lochhead) im stilechten Kostüm (Theresa Maria Staindl).

Hier kommt das Unbequeme der Figur zu ihrem Recht, die ja nicht plump lustig und nur kindlich ist, sondern ihre durchaus neurotische Seite hat. Diese Pippi beeindruckt durch die naive Enthemmtheit ihres Wesens, wodurch sie als Führerfigur für die unsicheren Settergrenkinder der bürgerlichen Nachbarsfamilie durchaus ihre problematischen Seiten hat: So sieht auch kein realer Weg in die Befreiung aus.

Das Erleben als Projektion wird am Bild der Eltern deutlich, die ganz lebendig die Erzählung begleiten und ins Nichts zurückgehen. Herr Nilsson (Laura Barthel) ist als Affe jedenfalls schnatterndes Vollmitglied der Villa-Truppe.

Wie aber passen Oper und Pippi zusammen? Oestlunds Musik für Kammerorchester (Leitung Norbert Brandauer/Ruben Hawer) findet eine geschickte Balance zwischen kind- und opernhaftem Gestus. Die Schwierigkeit bei solchen Unterfangen: Einfachheit unter Vermeidung von Banalität, Komplexität ohne das Stigma geschraubter Selbstreferenz. Oestlund vermeidet lange und unverständliche Arien, ohne auf Arioses zu verzichten.

Sogar ein ausgedehntes Klageduett zwischen Annika und Tommy darf sein. Es gibt aber keinen Arienautomatismus, sodass sich Sprechtheater, Melodram, Arioses und Zwischenmusiken kleinräumig ablösen und den dramatischen Volten auf der Bühne anschmiegen. Sänger und Sängerinnen können in angenehmen Lagen ohne Schnörkelüberfrachtung singen, bleiben damit verständlich und sollten so mit Opernstimmen auch das junge Publikum begeistern können.

Die von polyphonen Linien geprägte Werkarchitektur reicht von komplex geschichteten Klängen bis modalen und funktionalen Strukturen, stilistisch ist ein Abgleiten in Musicalkitsch absolut vermieden worden. Oestlund dürfte damit ein modellhafter Wurf gelungen sein, wie zeitgenössische Musik in einer Kinderoper wirksam zum Einsatz kommen kann. Der Universität Mozarteum Salzburg darf jedenfalls zu diesem Auftragswerk gratuliert werden. Das engagierte Team um Regisseur Richard Glöckner hat Pippilotta ein turbulentes und spektakuläres Denkmal gesetzt, das Jung und Alt begeistern wird.

Uraufführung war am Montag (28.10.) - weitere Aufführungen am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag (29. bis 31.10.) jeweils um 10 und um 15 Uhr im Theater im KunstQuartier - www.uni-mozarteum.at
Bilder: UniMoz / Thorben Schumüller

 

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