Beziehungsdreieck

SOMMERSZENE / RULE OF THREE

18/06/19 Rule Of The Three, eine figurative Dreiecks-Verwinkelung mit Techno-Drums von Jan Martens & dem amerikanischen Komponisten NAH auf der Bühne im Szene Theater - vormals Republic - zur Eröffnung der Sommerszene 2019.

Von Erhard Petzel

Zunächst fungiert die Bühne als schwarzes Loch, das der amerikanische Komponist NAH in sein Schlagzeug dreschend mit Lichteffekten durchsetzt. Aus seinem elektrischen Sound erstehen in selektiver Belichtung die Tänzer. Ein Text von Lydia Davis gibt gleich eine Richtung vor. Angesprochen ist weibliche Selbstfindung. Da Courtney May Robertson ihren beiden Partnern nicht einmal bis zu den Achseln reicht, wirkt sie wie ein Mädchen zwischen den Welten, zumindest zwischen den beiden Männern, wenn Rücken und Schultern der vor der zarten Frau Kauernden ihrem Gesicht einen neuen Unterkörper abgeben. Das Element des den Körper entlang wandernden Gesichts wird als Motiv weiter aufgenommen werden.

Die Szenen sind sehr unterschiedlich, kreisen zunächst meist minimalistisch im Beziehungsdreieck, die Figuren können sehr kraftvoll und schnell ausgeführt sein oder in Zeitlupe ablaufen, Motive wandern permutierend durch die Tänzer auf den Beats und den Klang-Loops von NAH. Die Männer sind im sportiven Dress zunächst rot und blau, die Tänzerin in Gelb. Das letzte Wort einer Textpassage zum weiblichen Beziehungs-Frust wird zum Klangmotiv.

Aus dem dunklen Bühnenraum hebt sich in trübem Rot eine Szene, die eher geahnt als gedeutet werden kann. Wird da der Frau der Kopf zurecht gerückt? Jedenfalls sind alle jetzt in Schwarz vor der verwegen ausgeleuchteten Mauer der Bühnenrückwand.

Ein gespenstisches Frauen-Solo schwankt zwischen dem Grusel einer archaischen Furie und einem nicht deutbaren Aufschrei panischen Furors. Die Männer entwickeln darauf einen verschlungenen Pas de deux zwischen Vampirismus und erotischem Verschlingen. Bis jetzt war Bewegung an die Impulse der Musik geheftet. Ihre Wirkung füllte die Bandbreite von geheimem Ritual bis zur mechanischen Abfolge im Spiel von Synchronisation und Kontrast. Jetzt aber wirft der Musiker das Handtuch und verschwindet. Eine Textprojektion räsoniert über den mangelnden Wert des Schreibens über Defizite anderer, so man doch besser die reale Aufarbeitung der eigenen angehen sollte.

Unter diesem Diktum steht der ausgedehnte Schlussteil. Im grellen Saallicht bewegen sich die drei lautlos und langsam. Sie sind nackt, tun so, als ob sie aus der Szene getreten wären, Verlegenheits-Gesten inklusive. In Gruppe wird gekuschelt, hingelegt und aufgeteilt der Raum choreografisch durchmessen. Es entstehen in der stillen Kahlheit Landschaften und Skulpturen aus der Fokussierung auf die menschlichen Körper.

Natürlich ist das nicht weniger künstlerische Inszenierung als die Choreografien zuvor; wie sollten Natürlichkeit oder Aufarbeitung realer Lebensbedürfnisse auch auf der Bühne anders dargestellt werden. Aber abgesehen davon, dass heute Tanz ohne Nacktszene offenbar nicht mehr vorstellbar ist, erfolgt hier die Betrachtung des Menschlichen in seiner Körperlichkeit auf eine berührend poetische Weise.

Wobei die Gemächlichkeit der Szenerie an die Fassungsgrenze manches Zuschauers rührt. Die Stille wird nicht von allen ganz durchgehalten, sogar ein verfrühter Applaus brandet kurz auf. Letztlich ist sie aber zumutbar und auszuhalten, wie auch die Musik davor. Die Warnung vor Stroboskop und Lautstärke samt beigelegtem Ohrschutz mag dem Veranstalterbedürfnis nach Risiko-Absicherung geschuldet sein. Das Gesamtkonzept bietet aber eine in ihren Teilaspekten harmonisch abgeglichene Performance, die eifrig vom Publikum akklamiert wurde.

Das Programm der Sommerszene - www.szene-salzburg.net
Bild:  Bernhard Müller