asdf
 

Walk wider Wüsten

LANDESTHEATER / MOONWALK / BALLETT

06/05/19 Moonwalk zwischen äußerem Feuer und innerer Wüste: Das war die Uraufführung des Balletts zum Michael-Jackson-Seelenstrip Peter Breuers im Probezentrum Aigen.

Von Erhard Petzel

Die Landestheaterproduktion folgt nicht grundsätzlich dem Trend, aus mehr oder weniger verstorbenen Pop-Ikonen ein Best-of-Musical zu schneidern. In der für ihn typischen Erzählhaltung entwickelt der frühere Balltettchef Peter Breuer aber zu Jackson-Nummern ein weites Land getanzter Biografie, die durch diese Kunstform automatisch stilisiert wird und daher mit psychologischen Metaphern anschauliche Deutungsebenen anbietet.

Der Choreograph stellt damit die Bedeutung des Popidols für die Setzung von Marken in der Geschichte des Tanzes heraus, indem er sich mit dessen Ausdruckskanon auseinandersetzt und in den Zusammenhang einer Tanzerzählung im choreografischen Kanon von Ballett stellt.

Wer also kommt, um eine Auferstehungs-Show seines Bühnenidols zu konsumieren, wird nur teilweise bedient, auch wenn Diego da Cunha als Michael sein Publikum begeistert.

Ensemble-Nummern mit Jackson-Solo sind Ausgangs- und Kulminationspunkte von mythischen Erzählungen um Werdegang und Befindlichkeiten des (inzwischen hoch umstrittenen) Stars. Zur Projektionsfläche des King of Pop gesellen sich als durchgehende Begleiter der kleine Jacko (Karine de Matos) und als Genius und Seelen-Alter-Ego die Figur Blue wie ein junger Prinz aus 1001 Nacht (Pedro Pires). Hervorgehoben wird dieses Beziehungsdreieck in einer Szene, da Blue einen magischen Spiegel auf die Bühne stellt, in dem Michael sein junges Bild sieht. Die Fläche zerbricht zum Trio, das sich im Raum umspielt.

Mit Music (alienhaft gespenstisch Larissa Mota) ist eine weitere Figur allegorisch aufgeladen, und auch die Frauenbeziehungen kommen nicht als geb. Frau Presley auf die Bühne, sondern – parallel zum Musikhintergrund – als Angel (Anna Yanchuk). Die heitere Familienszene selbst erweist sich als Inszenierung und Allegorie in der komplexen Parallelwelt einer emotionell verkrüppelten Sehnsucht mit Neverlandcharakter. Die Bedrohung wird in der Gestalt des Vaters (verdichtet verdeckte Gewalt in der zwingenden Präsenz Iure de Castros) mit Namen versehen, der Arzt (Paulo Muniz) wird als Morphine zur Inkarnation der Abhängigkeit.

Die Gerichtsszene (Jacksons weißer Glitzerhandschuh findet im roten Zeigefinger sein moralisches Pendant in der sittlichen Realwelt) zeigt den illustrativen Zugang zur problematischen Position des Künstlers hinsichtlich seiner Pädophilie. Die neu aufgeflammte Diskussion bricht in die Arbeit an der Produktion ein, kann aber vom künstlerischen Team nicht tiefgründig ausgelotet werden. Der Fokus liegt auf der Figur und ihrer Transformation zum Subjekt der künstlerischen Auseinandersetzung in der Wahrnehmung möglicher Facetten des Selbstbezuges. In die Diskussion um die Verantwortung von Künstler und der Vermarktung seines Werks muss sich Ballett auch nicht einbringen, die Referenz auf den bleibenden Beitrag in die Kunstgeschichte der Sparte ist sicher sinnvoll und legitim.

So großartig wie schlicht und klar Kostüme und Ausstattung (Bettina Richter) und Videoeinspielungen von Mondwüsten über Haarsprayfeuer bis Regenbogen (Felix Kiesel). Alexander Wengler zeichnet für die Choreografie der Showeinlagen und Musikarrangements verantwortlich. Bach ertönt zur Inkarnation weiblicher Schönheit und dem Reigen seliger Latex-Geister. Planet Earth als etwas unvermittelte Abschlussbotschaft bekommt eine Applaus-Draufgabe mit Black or White.

Weitere Aufführungen auf der Probebühne des Landestheaters in Aigen bis 13. Juni  – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: LT/ Anna-Maria Löffelberger

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014