24 Mal war die neben Schubert gewichtigste Unvollendete – nämlich Bruckners Neunte – bislang bei der Kulturvereinigung im Großen Festspielhaus zu hören. Ein Sammelsurium von Dirigenten und Orchestern ist da in der Chronik aufgelistet. 2006 stand Hans Graf am Pult des Mozarteumorchesters – wie nun in der Sonntagsmatinee.
Doch vor der „Neunten“ das „Doppelkonzert“. Brahms entwickelte seine Gedanken von einer weiteren Sinfonie (es wäre die fünfte gewesen) in Richtung eines anachronistisch anmutenden Zwitters: Die „Sinfonia concertante“ war ja seit den Tagen der Klassik eine kaum mehr gepflegte Form. Es wurde daraus das Doppelkonzert für Violine, Violoncello und Orchester a-Moll op. 102.
Das Werk war eine Freundschaftsgeste für den Virtuosen Joseph Joachim. Ihm hatte Brahms bereits sein Violinkonzert zugedacht und ihn in dessen Salzburger Domizil besucht. Bis zu seiner Scheidung war er mit ihm befreundet, aber irgendwie drängte sich am Sonntag (10.11.) im Großen Festspielhaus der Eindruck auf, als habe Brahms den gewichtigeren Anteil dem tieferen Duo-Partner zugedacht.
Das mag auch an Florian Simma gelegen sein. Glücklich ein Orchester, das einen derart versierten, tonschön agierenden und mitreißenden Solisten am Violoncello in den eigenen Reihen weiß! Fulminant vom angeheiztem Beginn, vom ersten rezitativischen Einstieg, bis ins finale Vivace! Dem Cellisten Florian Simma zur Seite artikulierte der unter anderem am Mozarteum ausgebildete Geiger Chinese Ziyu He weicher, nachdenklicher, im gesanglichen Andante auch liedhaft, verinnerlicht und verträumter. Wie sehr die beiden Künstler eines Sinnes sind, bewiesen sie in der ausgedehnten Zugabe, der vom Norweger Johann Halvorsen 1893 umgearbeiteten Passacaglia aus Georg Friedrich Händels Suite g-Moll HWV 432.
Dies war auch eine gedankliche Schiene zu Anton Bruckners monumentalen drei vollendeten Sätzen seiner (wie aus den erhalten gebliebenen Skizzen zum nicht fertig gestellten Finale ersichtlich) weit in die Zukunft weisenden Sinfonie d-Moll WAB 109. Hans Graf mobilisierte mit dem Großaufgebot des Mozarteumorchesters über dumpf in der Tiefe brütenden Streichern den aufrüttelnden Akkordsprung aller acht Hörner – deren eine Hälfte sich im beschwörenden Abschied des letzten Adagio dann emotional berührend mit Wagner-Tuben klanglich absetzte: Auch ohne detaillierte Kenntnis anknüpfender Bezugspunkte war dies dazu angetan, einfach zu überwältigen.
Zuvor das Scherzo. Angeführt vom Paukisten, wuchtig und schwer Igor Strawinsky oder auch tanzende Perchten assoziierend, war der dahinstampfende Binnensatz zu emotional niederschmetternder Ekstase aufgetürmt worden. Es war in allen Facetten ein nachhaltig beeindruckendes und engagiert gestaltetes Klangfresko. Die „Farben“ der Holz- und Blechbläser satt und delikat, wie die der voluminös getönten Streicher: Haarscharf seiner Vorlage und dem Anlass entsprechend begeistert aufgenommen und bedankt.