Ursachen bekämpfen statt Pflaster kleben

KINDERRECHTE

28/02/24 Wie eine Gesellschaft mit ihren Kindern umgeht, sagt viel über deren Kultur. „Einiges wurde besser, vieles bleibt zu tun.“ Andrea Holz-Dahrenstaedts Bilanz zum Abschluss ihrer zwanzigjährigen Tätigkeit als Leiterin der Kinder- und Jugendanwaltschaft: „Es ist der Auftrag der kija, hartnäckig dran zu bleiben und für gerechte Lebensbedingungen für alle einzustehen!“

„Ursachen bekämpfen statt „Pflaster kleben, damit Kinderrechte gelebte Realität werden.“ Das ist der Kernsatz.„ Alle Kinder oder Jugendlichen, die bei uns Hilfe suchen werden individuell betreut. Wenn es gelingt, eine gute Lösung zu finden, was leider nicht immer der Fall ist, ist es eine große Freude.“ Wenn darüber aber hinaus für viele junge Menschen eine Verbesserung erreicht werden kann, beispielsweise eine Gesetzesänderung, oder wenn aus einem Pilotprojekt ein neues Angebot entsteht, „ist es ein kinderrechtlicher Meilenstein“.

Solche Meilensteine sein die Gründung der kidsline, des SOS-Clearinghouse für unbegleitet geflüchtete junge Menschen, die Prozessbegleitung für Kinder als Opfer von Gewalt im Strafverfahren, der Kinderbeistand für Kinder hochstrittiger Elternkonflikte oder die Einführung der kinderanwaltlichen Vertrauensperson für Kinder in sozialpädagogischen Einrichtungen. Letztere wurde in Folge des Heimkinderskandals „und nach anfänglicher großer Skepsis“, so Holz-Dahrenstaedt, 2015 als gesetzliche Aufgabe bei der kija angesiedelt.

Seit September 1993 setzt sich die Kinder- und Jugendanwaltschaft kija Salzburg für die Umsetzung der Kinderrechte im Bundesland Salzburg ein. Andrea Holz-Dahrenstaedt gehörte zum kija-Team der ersten Stunde und leitet seit 2003 die weisungsfreie Einrichtung des Landes. Ein Blick in die dreißig Jahre-Statistik zeigt, wie viele Kinder, Jugendliche und junge Menschen unter 21 Jahren durch die Arbeit des multiprofessionellen kija-Teams erreicht wurden: „Es gab rund 64.000 Beratungen und Unterstützungen in Einzelfällen, 79.000 Kinder und Jugendliche wurden in Workshops erreicht.“

75.000 wurden durch Weltkindertage, Kinderrechte-Filmtage, den Kinderrechte-Songcontest oder den Kinderrechte-Preis erreicht. „Außerdem war und ist die kija ein begehrter Praktikumsplatz für Studierende“ berichtet die scheidende Kinder und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt. Dreihundert Praktikantinnen und Praktikanten nutzten bereits das Angebot.

Die Kinderrechte seien inzwischen „zumindest weitgehend bekannt“, sagt Holz-Dahrenstaedt. Die Beteiligung von jungen Menschen in vielen Familien und Institutionen habe einen höheren Stellenwert erhalten, in der Gesellschaft werde mehr über Probleme geredet „und Hilfe suchen ist nicht mehr tabu“. Daher nähmen auch immer mehr Kinder und Jugendliche Beratungsangebote in Anspruch“, berichtet Holz-Dahrenstaedt von einer positiven Entwicklung, um gleich auf weniger Erfreuliches hinzuweisen: „Laut einer Umfrage aus 2022 sagte drei Viertel aller jungen Menschen, dass ihre Anliegen von der Politik nicht gehört werden.“ Kritisch zu sehen sei auch, „dass Krisen wie Covid, Klimabedrohung, Kriege oder Teuerung dazu geführt hätten, „dass die bestehenden Hilfsangebote den steigenden Bedarf bei Weitem nicht abdecken.“ Dies zeige etwa, so Holz-Dahrenstaedt, der Anstieg der Gefährdungsmeldungen bei der Kinder- und Jugendhilfe, den früheren Jugendämtern, von 2.263 im Jahr 2019 auf 3.275 im Jahr 2022.

Die scheidende Kinder- und Jugendanwältin nennt Zahlen aus dem aktuellen Tätigkeitsberichte 2021 bis 2023 und der kija-Jahresstatistik 2023: „2023 war das Beratungsteam der kija Salzburg mit 2.618 Einzelfällen mit insgesamt 7.834 Beratungsgesprächen befasst. Davon betrafen 127 allgemeine kinderrechtliche Anfragen, die keinen Einzelfall, sondern eine Vielzahl an Kindern und Jugendlichen betrafen, etwa Anfragen zu Suspendierungen oder Homeschooling. 3583 Beratungsgespräche fanden persönlich statt, 2287 telefonisch und 1964 online, wobei das kija-Team immer stärker auf internetgestützte Telefonie oder andere Online-Plattformen in den Beratungen zurückgreift.“

Dazu kamen insgesamt rund fünfhunert Kinder und Jugendliche, die mit den kinderanwaltlichen Vertrauenspersonen der kija in Kontakt waren: Diese unterstützen junge Menschen in öffentlichen Einrichtungen.“ Mobbing, Bullying, Cybermobbing seien mit 499 Fällen Hauptthemen in den Beratungen. Dazu kommen 424 Fälle allgemeiner psychischer und physischer Probleme sowie 94 Fälle psychischer oder physischer Probleme im Schulkontext. Es gab 323 Fälle mit familienrechtlichen Anliegen. 319 Fälle standen im Zusammenhang mit Behörden, 225 mit Fragen der und 124 mit familiärer Gewalt. Besonders stolz ist die scheidende Kinder- und Jugendanwältin auf die beiden ehrenamtlichen Mentoringprojekte MutMachen und open.heart. Beide Projekte hat die kija ins Leben gerufen, seit 2021 sind sie als sozialer Dienst beim Verein Einstieg angesiedelt. Mentorenschaften für sechshundert Kinder und Jugendliche wurden bisher vermittelt. (kija / dpk-klaba)

Bilder: kija / Marco Riebler