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Opernzwitter zwischen Verdi und Verismo

REST DER WELT / BREGENZ / AMLETO

21/07/16 Am Donnerstag (20.7.) wurden die 70. Bregenzer Festspiele mit Franco Faccios „Amleto“ im Festspielhaus eröffnet. Ein Werk, das 151 Jahre nach der Uraufführung erstmalig in Österreich gezeigt wird. Ein interessanter Ausflug ins Unbekannte. Dafür sind Festspiele da.

Von Oliver Schneider

Nach einem Ausreißer im letzten Jahr setzen die Bregenzer Festspiele unter ihrer neuen Intendantin Elisabeth Sobotka die Tradition fort, neben einem Blockbuster auf der Seebühne im Festspielhaus eine Rarität oder Uraufführung zu zeigen. Für die Jubiläumsfestspiele hat man Franco Faccios 1865 in Genua uraufgeführte lyrische Tragödie „Amleto“ ausgegraben. Das Libretto stammt von Arrigo Boito. Die Uraufführung war ein Erfolg für die befreundeten „Scapigliati“, die sich für eine Verbindung von Kunst, Realität sowie die Vereinigung von verschiedenen Kunstformen einsetzten und damit den Veristen den Weg ebneten. Für eine sechs Jahr später an der Scala in Mailand stattfindende Aufführung strafften sie das Werk nochmals. Nicht zuletzt wegen des indisponierten Hauptdarstellers war aber dann die Mailänder Aufführung ein Fiasko, und das Werk verschwand bis 2014 in den Archiven. Anthony Barrese erstellte für eine Produktion an der Opera Southwest in Albuquerque eine kritische Ausgabe, die auch die Grundlage für die Aufführung in Bregenz bildet.

Faccio beschränkte sich nach dem Misserfolg seiner zweiten Oper ganz aufs Dirigieren. Er leitete unter anderem die italienischen Erstaufführungen von Verdis „Simone Boccanegra“ und „Aida“, von Wagners „Meistersingern“ und schließlich auch die Uraufführung von Verdis „Otello“.

Viel vom mittleren Verdi spürt man in den ersten beiden Akten des Amleto, vor allem in den effektvollen Chören (der Prager Philharmonische Chor sorgsam einstudiert von Lukáš Vasilek). Aber man hat auch den Eindruck, dass der Komponist seinen Weg hier noch sucht. In den mehrheitlich durchkomponierten Szenen bricht der musikalische Fluss zwar gewollt immer wieder ab, jedoch wirken die Übergänge noch ungelenk. Anders ist das im dritten und vierten Akt. In welche Richtung es hätte weitergehen können, hätte Faccio weiterkomponiert, lässt exemplarisch das Gebet von König Claudio im dritten Akt erahnen, in dem er von seinem Gewissen wegen des Mordes an seinem Bruder gequält wird (Claudio Sgura mit robustem Bariton). Dessen Geist – in Bregenz eine Art Kreuzritter – erinnert hingegen wieder an Verdis Großinquisitor (mit runder und schwarzer Stimme Gianluca Buratto).

Hineingezogen ins Geschehen fühlt man sich, wenn Laerte (impulsiv Paul Schweinester, der ab Mitte August wieder den Basilio in Mozarts „Figaro“ in Salzburg singen wird) den Tod seines Vaters Polonio am König rächen will und Ofelia dem Wahnsinn verfällt. Stimmig ist die szenische Umsetzung: Regisseur Olivier Tambosi und sein Bühnenbildner Frank Philipp Schlössmann deuten Ofelias Vorstellungen, wie sie das Grab ihres Vaters mit Blumen übersät, mit einem Meer von grünen Zweigen auf der Bühne an. Leider fehlt Iulia Maria Dan neben dem hübschen Timbre die Tragfähigkeit im tiefen Register.

Tambosi hat als Grundkonzept für seine Inszenierung den Theater-auf-dem-Theater-Ansatz gewählt. Zu Beginn des Vorspiels zum Schnürboden hochfahrende Scheinwerfer und zwei leuchtend rote Vorhänge zeigen dies an. Die Kostüme von Gesine Völlm deuten zudem eine Verortung in elisabethanischer Zeit an. Werkgerecht konzentriert sich Tambosi ganz auf die inneren Konflikte der Protagonisten, nachdem Faccio und Boito die politische Dimension der Vorlage ohnehin schon eliminiert haben.

In der anspruchsvollen Titelpartie des Dänenprinzen reüssiert Pavel Černoch mit leuchtkräftigem, sicher geführtem Tenor. Faccio lässt den Prinzen auch in seinem berühmten Monolog „Sein oder Nichtsein“ in erster Linie deklamieren, so dass Černoch leider nicht alle seine Qualitäten zur Geltung bringen kann.

Sehr überzeugend ist die aktionsreiche Schlussszene, wenn Laerte mit dem vergiften Florett und die Königin (Dshamilja Kaiser mit dem richtigen Stimmmaterial) mit ebenso vergiftetem Wein Amleto ermorden wollen und schließlich alle drei plus König ihr Leben lassen müssen.

Am Ende gab es großen Jubel für die Beteiligten, in den auch Paolo Carignani und die Wiener Symphoniker eingeschlossen wurden, die allerdings zu blutarm zur Sache gehen. Die Symphoniker zeigen sich immerhin als versierte Vollblutmusiker, die auch unter den Umständen hohes Spielniveau bieten.

Weitere Aufführungen am 25. und 26. Juli im Bregenzer Festspielhaus. Die Turandot-Wiederaufnahme ist vom 21. Juli bis 21. August 2016 zu sehen – www.bregenzerfestspiele.com
Bilder: Bregenzer Festspiele / Karl Forster

 

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