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Am Schauplatz in Vordernberg

REST DER WELT / STEIRISCHER HERBST / THEATER

06/10/15 „Am Schauplatz“ hat ein findiger Imbissbudenbetreiber sein Etablissement unmittelbar beim Anhaltezentrum (Österreichs Vorzeige-„Gefängnis“ in Vordernberg) genannt. Bei so viel Selbstironie haben es Theaterleute gar nicht leicht, mitzuhalten. Solche kommen derzeit gehäuft vorbei dort, denn der historische Ort an der Steirischen Eisenstraße ist Schauplatz von vielen Aktionen vom „steirischen herbst“.

Von Reinhard Kriechbaum

Ein Samstag am Schauplatz Vordernberg also. Das „Theater im Bahnhof“ hat vor Ort recherchiert und ein Road Movie mit Live-Schauspiel destilliert. Ein solches drängt sich auf, denn der Ort besteht ja im Wesentlichen nur aus einer Bundesstraße. Links und rechts davon aufgereiht sind die historischen Baudenkmäler, Hochofen-Relikte, Hammerwerke und Gewerkenhäuser. Das Anhaltezentrum ist beruhigend weitab, am unteren Ortsrand angesiedelt. „Black Moonshine – Die Essenz der Freiheit“ spielt direkt an der Straße, an einer Tankstelle ohne Zapfsäule, nur mit Shop. Dort kreuzt eine dunkelhäutige Dame auf, mietet sich in der Garage ein – und fängt an, Schnaps zu brennen. Eine Schwarze beim Schwarzbrennen? Schwarzseher könnte man werden. Vordernberger wissen: „Wenn der Schlecker weg geht, kommen die Künstler“ (mit diesem Sager hält das „Theater im Bahnhof“ fast mit dem Imbissbudenbetreiber mit). Jedenfalls irritiert die wenig gesprächige Frau eben so wie ihre Attraktivität und ihr Wirtschaftszweig.

Das „Theater im Bahnhof“ macht mit seinen regional rückgebundenen Produktionen erfrischendes Volkstheater. Beobachtungen fließen ein, Bemerkungen der Bevölkerung werden aufgeschnappt. Der Satz, dass die Schneeräumung seit Eröffnung des Anhaltezentrums besser funktioniert, fand bei der Premiere lebhaftes Kopfnicken der Ortsansässigen. Die tauchen im Film in Gestalt der Blasmusik auf, dirigiert vom Bürgermeister. Sie begleiten die singende schwarze Schwarzbrennerin, wenn sie Bachs „Bin ich bei dir“ röhrt. Der Hintersinn beißt kräftig zu, aber „Black Moonshine“ entpuppt sich letztlich als unprätentiöses Identifikationstheater mit ausreichend lockeren Pointen. Wo die Geschichte hinläuft? Verraten wir nicht, nur soviel: Schnaps ist brennbar, und er wird zuletzt krass zweckentfremdet.

Für drei Nachmittagsstunden wird das Publikum von der Wiener Theatergruppe Nesterval auf theatrale Schnitzeljagd geschickt. Darum geht's: Auf dem Bahnhof Vordernberg-Markt (die Erzbergbahn ist längst stillgelegt und Museumsbahn) trifft eine alternde Diva ein: „Die Heimkehr der Eleonore Nesterval“ macht deshalb Effekt, weil die aufgedonnerte, wie Zarah Leander orgelnde Dame als Reisegepäck einen leeren Sarg mit sich führt. Eine schreiende Ungerechtigkeit soll gesühnt werden, dann gibt’s enorm viel Geld für Gemeinde und Leute, verspricht sie. Wer wird drei Stunden später im Sarg liegen? In kleinen Gruppen geht’s durchs Dorf, an zehn Spielstätten gibt es kleine Szenen, mit Zeitsprüngen aus den sechziger- und siebziger Jahren bis heute. Von Bürgermeister abwärts spielen viele Ortsansässige mit, und sie machen das mit Engagement.

Echt ein Spaß, diese Geschichte als Dorf-Wanderer zu erpuzzlen: Man kommt in hübsche historische Räume und an Orte aus der vergangenen Hochblüte des Resopal-Zeitalters. Die Kegelbahn (nur mehr selten in Betrieb) könnte keinem Bühnenbildner einfallen. Diese Tuchfühlung mit dem morbiden Charme einer Gemeinde, wo keiner hin, sondern jeder nur nur weg will, geht nun tatsächlich unter die Haut. Auch das also ist „Volkstheater“ mit Bedeutungs-Hinterhalt, didaktisch mit Witz und Ironie aufbereitet. Hoffentlich ist das nächste Wochenende auch so herbstlich schön am Fuß des herbstsonnen-beleuchteten Präbichl.

Ins Konzept des „steirischen herbst“ passt das, weil es Intendantin Veronica Kaup-Hasler heuer drum geht, Erbe und Zukunfts-Optionen zu thematisieren und irgendwie zueinander zu bringen. Kleines Apercu dazu in Vordernberg: Das österreichische Künstlerkollektiv „Fourdummies“ macht mit einem glitzernden Utopie-Vehikel dort Station. Man befragt Leute nach ihrer Zukunftsvisionen und -ängsten und macht daraus Fotomontagen. Diese kommen in eine Kapsel und werden vergraben. 2035 will „Fourdummies“ mit Spaten und Schaufel wieder in Vordernberg anrücken und schauen, ob die jetzt vorgestellte und dann eingetretene Zukunft zusammen passen. Könnte funktionieren, wenn es das Künstlerkollektiv dann wirklich noch gibt und auch noch Subventionen für solcherlei Kunstaktivitäten fließen. Ein bisserl pessimistisch darf man schon sein.

„Black Moonshine“ sowie „Die Heimkehr der Eleonore Nesterval“ sind in Vordernberg noch am 16. und 17. Oktober zu sehen bzw. zu erleben. Der "steirische herbst" dauert noch bis 18. Oktober – www.steirischerherbst.at

Bilder: steirischer herbst / Wolfgang Silveri (2); Johannes Gellner (1)

 

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