Der Tod streikt für das Leben

REST DER WELT / LINZER KAMMERSPIELE / DER KAISER VON ATLANTIS

02/03/10 Der Kaiser plant die Vernichtung allen Lebens. Ausgerechnet der Tod verhindert dieses wahnwitzige Vorhaben, das Spiel endet mit dem Untergang des Kaisers und mit der Vision eines neuen Verständnisses von Leben und Tod.

Von Norbert Trawöger

Im Winter 1943/44 schrieb Viktor Ullmann die Oper „Der Kaiser von Atlantis“ im Konzentrationslager Theresienstadt. Ullmann bekleidete in Hitlers “Vorzeigelager” die Funktion des “Direktors für musikalische Freizeitgestaltung.”

1944 fand in Theresienstadt noch eine „Generalprobe“ statt. Es ist unklar, warum es nicht mehr zu einer Premiere kam. Möglicherweise hat die SS nach einer der Proben die Aufführung verboten, vielleicht war aber die Deportation beteiligter Musiker nach Auschwitz der Grund. Es könnte auch sein, dass die Akteure aber auf die Uraufführung verzichtet haben, da sie sich der Brisanz dieses unverhohlen antifaschistischen Werkes bewusster wurden.

Ullmann wurde am 16. Oktober 1944 in einem Viehwagen nach Auschwitz deportiert und ermordet. Das Libretto stammt von dem Maler und Dichter Petr Kien, der ebenfalls in Theresienstadt inhaftiert war.

In den Kammerspielen des Linzer Landestheaters hat Intendant Rainer Mennicke Viktor Ullmanns „Der Kaiser von Atlantis” inszeniert. Er hängt seine schnörkellose Regie nicht an die Insignien des Dritten Reichs an, sondern zeigt das Spiel überzeitlich, in ganz klar gezeichneten und eindringlichen Bildern, die nicht mehr oder weniger zu bieten haben, als der nackte Wahnsinn zu seiner Darstellung braucht. Die Bühne und die Kostüme von Silke Fischer leisten dazu einen wesentlichen Beitrag.

Leopold Köppl ist ein brillant verführerischer Spielanleiter “Lautsprecher”. Nikolai Galkin leiht dem Tod seine abgrundtief kräftige Stimme und Martin Achrainer zeigt als Kaiser Overall einmal mehr sein stimmliches wie darstellerisches Format. Und beschert in seiner letzten Arie “Des Kaisers Abschied” den musikalisch innigsten Moment der Oper. In weiteren sehr gut besetzten Rollen finden sich Hans-Günther Müller als Harlekin, Iurie Ciobanu als Soldat, die junge schwedische Sopranistin Teresia Bokor als Bubikopf und Elsa Giannoulidou als Trommler. Ingo Ingensand sorgt mit dem Bruckner Orchester für eine veritable musikalische Umsetzung dieses Meisterwerks, das in Linz tiefgreifend gelungen ist.

Die „Kaiser“-Oper ist eine Parabel vom Spiel des Kaisers Overall mit dem Tod um das Leben. Das „Spiel“, bei dem es um nicht weniger als die vom Kaiser geplante Vernichtung allen menschlichen Lebens und um die Verhinderung dieses wahnwitzigen Vorhabens durch den Tod geht, endet mit dem Untergang des Kaisers und mit der Vision eines neuen Verständnisses von Leben und Tod. Der Tod streikt und niemand kann fortan mehr sterben, bis sich der Kaiser Overall der Macht des Sensenmann beugt. Der Parabel ist eine entblößende Wucht immanent, die auch losgelöst von den ungeheuren Umständen ihrer Entstehung ewig trifft.

Weitere Aufführungen bis 28. April. www.landestheater-linz.at