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Der Körper ist ein Gift solang er lebt

REST DER WELT / GRAZ / FAUST HAT HUNGER …

03/05/11 Grillparty statt Osterspaziergang: "faust hat hunger und verschluckt sich an einer grete" - Ewald Palmetshofers sprachspielerisches Stück auf der Probebühne im Grazer Schauspielhaus.

Von Reinhard Kriechbaum

Zu mehreren Grillpartys unter befreundeten Ehepaaren sind sie eingeladen worden, die beiden Singles "Er" und "Sie": "integriert - ich weiß zwar nicht in was", aber jedenfalls "tief hinein in ihr Soziales, in ihren Gemeinschaftskörper", weil "den Volksmund öffnen wir und laden ein"! So ätzt "Er". "Sie" kennt "Liebe eigentlich nur aus dem Kino", gibt sich voll emanzipiert und selbstbewusst und wundert sich dann doch, "warum jeder Zentimeter dieses Körpers verrät, dass ich in der Provinz geboren wurde". Aber "der Körper ist ein Gift solang er lebt", möglicherweise ja schon deshalb, weil "ein Frauenkörper immer zu viel Materie hat für eine Idee".

Da passiert also schon mal ein stinknormaler "bürgerlicher Beischlaf", von dessen Zustandekommen und Folgen Ewald Palmetshofer, österreichisches Theater-Liebkind in der Dreißiger-Generation, in seinem 2009 im Wiener Schauspielhaus uraufgeführten Stück "faust hat hunger und verschluckt sich an einer grete" erzählt.

Palmetshofer spaltet regelmäßig die Geister: Werner Schwab und Elfriede Jelinek heruntergeschraubt auf bekömmliche Boulevard-Remakes? Ja, stimmt schon. Aber der Autor liefert garantiert dramaturgisch dankbares, sprachspielerisch zurechtgeschliffenes Material.

Darauf setzt und damit spielt auf der Probebühne des Grazer Schauspielhauses Anne-Sophie Mahler. Sie, die gerne und liebevoll auf Figuren und Paare zoomt, richtet diesmal wirklich kleine Scheinwerfer auf sie: Eine Jede und einen Jeden lässt sie in die Rollen von "Ihr" und "Ihm" schlüpfen, wirklich "Sie und "Er" sein. Und das ist gut so, weil ja alle sechs Normalmenschen ein wenig was fühlen von und mit den beiden - und sei's auch nur ein bisserl Neid. Dann wird also der Spot hingedreht auf die Figur, die gerade etwas sagt, was gelegentlich in Rhythmus oder Wort-Versatzstücken tatsächlich nach Faust und Grete klingt.

Anne-Sophie Mahler malt lustvoll und lädt ein, optionale Tiefen und vorhandene Untiefen dieses Stücks zu ertauchen. Von den drei Paaren erfahren wir in der Party-Situation um einiges mehr, als im Text steht, weil sich die Regisseurin körpersprachliche Kleinszenen ausdenkt. Verena Lercher, Leon Ullrich, Katharina Klar, Thomas Frank, Pia Luise Händler, Fritz Köhler umzingeln den rauchenden Griller, turteln, streiten, spielen Party-Theater - und sind so stinknormal wie nur. Mit solchen Figuren lässt sich kein Staat, aber gut Theater machen.

Goethe werden der Titel und die Zitate schon nicht kratzen. "Wie er's denn hält mit..." - "Man müsst sich selber…": So wird bei Palmetshofer angebandelt. Keine Zukunft, denn "es gleitet ab, das Glück und schmiert die glatte Wand hinunter … weil einen Saugnapf hat es nicht, ein Glück". Wie dem auch sei: "So eine Welt macht uns keiner schlecht", auch wenn Sie/Grete zuletzt ihr von Ihm/Faust gezeugtes Kind tötet. Da landen wir am Ort des Verbrechens, er wird mit Absperrbändern umzäunt. Die Party-Teilnehmer schauen sich "um 22 Uhr die Sondersendung an" und sind froh, dass die Namen der Freunde, also die ihren, öffentlich nicht genannt werden.

Aufführungen bis 15. Juni - www.schauspielhaus-graz.com
Bilder: Peter Manninger

 

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