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Mit Harnoncourt im Wechselbad der Gefühle

REST DER WELT / WIEN / RODELINDA

21/03/11 Wer die Ohren aufsperrt und die Augen schließt, erlebt im Theater an der Wien einen perfekten Händel-Abend. Nikolaus Harnoncourt dirigiert „Rodelinda“. Mit diesem Werk setzte 1920 die Wiederentdeckung von Georg Friedrich Händel für die Opernbühne ein.

Von Oliver Schneider

alt1976 war es dann Nikolaus Harnoncourt, der in Zürich mit seinem kongenialen Partner Jean-Pierre Ponnelle eine bis heute ungebrochen anhaltende Renaissance der Barockoper einläutete. Jetzt, im Theater an der Wien, kehrt Harnoncourt noch einmal zu seinem Ausgangspunkt zurück – wohlgemerkt: in der Oper – und widmet sich mit dem Concentus musicus sowie einem herausragenden Sängerensemble dem Werk, mit dem Händel für die Opernbühne rückerobert worden ist.

Lustvoll durchlebt man mit Harnoncourt und den auf ihn eingeschworenen Musikern das Wechselbad der Gefühle der Protagonisten, die sich in Liebe verzehren, hassen oder nach Macht streben. Der Concentus ist und bleibt ein hochkarätiger Klangkörper für dieses Stimmungsbarometer, für die Aufeinanderfolge von Da Capo-Arien, in denen die Musiker dank perfekter Artikulation und solistischer Einsätze selbst eine Hauptrolle spielen. Harnoncourt und sein Concentus bereiten drei Stunden ungetrübte Freude.

Wahre Meister stehen auch auf der Bühne des für die Barockoper so geeigneten Theater an der Wiens, um die Geschichte der standhaften Langobardenkönigin Rodelinda zu erzählen. Ihr Mann Bertarido, der eigentlich Anspruch auf den Thron hat, wurde von Grimoaldo vertrieben, der nun seinerseits Rodelinda für sich gewinnen will, obwohl er eigentlich mit Bertaridos Schwester Eduige verlobt ist.

altDank seines enormen Einfühlungsvermögens und seines weichen Tons voll Farbigkeit ist Bejun Mehta eine Idealbesetzung für den Bertarido, für den er auch die nötige Flexibilität in den Koloraturen mitbringt. Mit Eleganz und Leichtigkeit perlen die Koloraturen auch beim zweiten Countertenor, Matthias Rexroth, der als Unulfo sowohl Bertaridos Freund als auch Grimoaldos Diener ist. In den lyrischen Passagen punktet er mit balsamischer Geschmeidigkeit.

Danielle de Niese ist eine expressive Rodelinda, die aber zum Teil mit der Intonation kämpft. Wunderbar verschmilzt ihre Stimme hingegen mit derjenigen Mehtas in den beiden Duetten am Ende des zweiten und des dritten Akts. Malena Ernman stattet die Eduige mit ihrem samtigen, perfekt abgerundeten Alt aus.

altKurt Streit sang den Grimoaldo bereits vor über zehn Jahren in Glyndebourne. In den Koloraturen mag es ihm heute ein wenig an Flexibilität fehlen, dafür gelingt ihm ein rundherum abgeklärtes Rollenporträt. Es gelingt ihm zu zeigen, dass Grimoaldo nicht von Natur aus ein Bösewicht ist, sondern dass er von seinem Gefährten Garibaldo angestiftet wurde und wird. Konstantin Wolff gefällt in dieser Rolle zwar mit leicht ansprechendem Bassbariton, den schwarzen Charakter nimmt man ihm aber (noch) nicht ab.

Wolff würde auch der Unterstützung eines Regisseurs benötigen, der diesen Namen auch verdient. Doch daran fehlt es leider. Philipp Harnoncourt hat die Handlung in einen zweistöckigen, labyrinthartigen, modernen Betonblock auf einer Drehbühne verlegt, was zumindest rasche Szenenwechsel ermöglicht (Ausstattung: Herbert Murauer). Das Interview im Programmheft lässt auch eine interessante Personenzeichnung erwarten, doch davon war man im Theater an der Wien am Sonntagabend an der Premiere weit entfernt. Philipp Harnoncourt beschränkt sich stattdessen auf das Zusammenwürfeln von Ideen, die man andernorts bei seinen Regiekollegen bereits oft und zu Genüge gesehen hat. Selbstverständlich darf zusätzliches Personal – von Bodyguards bis zur Putzfrau – nicht fehlen, werden Arien zusätzlich bebildert, der Gehalt dabei verdoppelt oder schlimmer manchmal konterkariert. Nicht zu vergessen die überflüssigen Mätzchen: So muss sich Garibaldo zum Beispiel immer wieder einen Kaffee aus einem scheppernden Automaten herauslassen, während Rodelindas zweiter Arie wird mit viel Mühen und Lärm ein riesiger Kleiderschrank über eine schmale und steile Treppe in den ersten Stock gehievt. Damit es am Ende auch wirklich für alle ein Happy End gibt, erhält Unulfo schliesslich Frau und Kinder zur Seite. Das Familienglück erlebt auch Bertarido, dem Kaffee und Gugelhupf serviert werden. Ach ja, witzig wollte Philipp Harnoncourt auch noch sein: Wenn Unulfo Bertarido aus dem Gefängnis befreit, fliehen sie unterirdisch - und landen im Orchestergraben. Mit der Leiter geht’s zurück auf die Bühne. Eine Unannehmlichkeit, für die sich Mehta artig bei den Musikern entschuldigt.

Schließlich gehört zum modernen Theater auch, dass man dem fröhlichen Ende misstraut, so dass Vater Harnoncourt den Schlusschor leicht ironisch von der Bühne aus nach dem ersten Applaus dirigieren darf. Großer Jubel für Sänger, den Dirigenten und Orchester, wenige Buhs für das Regieteam.

Weitere Vorstellungen: 22., 24., 26., 29. und 31. März. - www.theater-wien.at
Bilder: Theater an der Wien / Werner Kmetitsch

 

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