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Kindermord oder Tod durch Gedankenschuld

WIEN / STRINDBERG / RAUSCH

17/01/11 August Strindbergs „Rausch“ in der Inszenierung von Stefan Pucher im Wiener Akademietheater: ein streckenweise fesselndes Spiegelbild der menschlichen Psyche in Momenten der Angst.

Von Oliver Schneider

Der Dichter Maurice erlebt mit seinem neuen Theaterstück zum ersten Mal den großen Erfolg. Seine Freundin Jeanne, mit der er ein uneheliches Kind – Marion – hat, nimmt daran in dunkler Vorahnung nicht teil. Auf dem Höhepunkt seines Triumphs begegnet ihm stattdessen Henriette, die Freundin seines besten Freundes Adolphe. In diesem Moment scheinen die beiden wie füreinander geschaffen, sie berauscht von seinem Erfolg, er begierig nach Anerkennung. Alle ihre Verführungskünste bietet sie auf, die der spröden, aber realistischen Jeanne nicht zur Verfügung stehen (Dorothee Hartinger). Maurice und Henriette beschließen die Flucht. In Gedanken geht Maurice noch weiter, wenn er sogar den Tod der Tochter Marion (die Tochter ist ja das Band zu Jeanne), gedanklich durchspielt.

Regisseur Stefan Pucher hat die 1899 entstandene „Gesellschaftskomödie“ von August Strindberg in der Übersetzung von Angelika Grundlach für das Akademietheater neu inszeniert. Wie alle Werke trägt auch „Rausch“ stark autobiographische Züge, denn auch Strindberg hat den gedanklichen Tod seiner Tochter Kerstin gewünscht, um sich von seiner zweiten Frau Frida Uhl zu lösen. Strindberg thematisiert zudem die Wirkung von Erfolg auf den Menschen sowie die Nähe von Erfolg und Abgrund. Themen, die auch heute noch ihre Gültigkeit haben.

Kurz nachdem Maurice seine Tochter vor der Flucht noch einmal besucht hat, stirbt sie unerwartet, der Vater gerät unter Mordverdacht. Der gerade errungene Erfolg verblasst rasch unter dieser vernichtenden Anklage, was Maurice an den Rand des Wahnsinns treibt.

Verhindert Regisseur Pucher bis zu diesem Moment ein eigentliches Zusammenspielen zwischen den Personen, weil er sie mehr für sich selbst und für das Publikum sprechen lässt, so bietet der bis dahin immerhin tadellose Rezitationsabend von dort bis zum Schluss ein fesselndes psychologisches Bild von Menschen, deren Angst sie bis zum Wahnsinn treibt. Die Unschuld von Maurice – Marion ist an einer Krankheit gestorben – stellt sich zwar rasch heraus, aber da haben sich Henriette und Maurice schon gegenseitig des Mordes bezichtigt. Von der mentalen Schuld für sein Gedankenverbrechen kann Maurice sich erst reinwaschen, nachdem er auch die moralische Verantwortung übernommen.

Barbara Ehnes hat für diese Inszenierung den aufwendigen Bühnenraum mit drei Ebenen geschaffen: unten das Künstlerlokal der frömmelnden Wirtin Cathérine (Petra Morzé), deren Kassandra-Rufe bezüglich Henriette Maurice nicht von seinem (vorläufigen) Verderben abhalten können. Darüber eine Freifläche für die Szenen draußen. Immer wieder werden Schwarzweiß-Videos eingeblendet, die die immer stärkere Verstrickung von Maurice und Henriette in ihren Rausch zusätzlich verdeutlichen (Meika Dresenkamp).

Vielleicht erscheint Manches in Strindbergs Komödie, die nur am Ende die Gattungsbezeichnung vielleicht verdient, zu konstruiert, vor allem der positive Schluss. Stefan Pucher hat sein Möglichstes getan, damit jeder die Parallelen zu eigenen Leben ziehen kann.

Weitere Aufführungen: 19. und 29. Jänner, 15. und 24. Februar - www.burgtheater.at

 

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