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Fang den Hut

OPER GRAZ / DER FLORENTINERHUT

15/05/23 Der Pate. Der Leopard. La Strada. Copola.Visconti. Fellini. Der Musik von Nino Rota verdanken Meisterwerke der Filmkunst ihren unverwechselbaren Klang, einen wesentlichen Teil ihrer Wirkung. Nino Rota konnte aber auch ganz anders. Der Florentiner Hut – Die Oper von Nino Rota begeistert als delikater Klamauk in der Oper Graz.

Von Heidemarie Klabacher

Da haben sich doch eine Dame und Liebhaber im Gebüsch vergnügt, und sein Pferd hat den Strohut der Dame gefressen, erzählt der junge Mann atemlos vor lauter Kichern seinem schwerhörigen Onkel, der gerade sein Hochzeitsgeschenk gebracht hat. Wohl habe das saubere Paar Schadenersatz gefordert, aber er hatte keine Zeit für solchen Blödsinn, schließlich ist heute sein Hochzeitstag. Noch während der junge Fadinard sein Vormittags-Abenteuer schildert, stehen die Dame ohne Hut und ihr Offizier auf der Matte und machen Skandal, während die Hochzeitsgesellschaft samt Braut und Schwiegervater eintrifft.

Der Florentiner Hut. Das Libretto zur Farsa musicale in vier Akten schrieben der Komponist und dessen Mutter, Ernesta Rota Rinaldi. Il cappello di paglia di Firenze schlägt allein schon aus den Versen und Reimen, die sich an diesen Schlüsselworten zünden, Funken genug für zahllose ironische, unverfroren funkelnde Feuerwerke.

Die Oper basiert auf einer Vaudeville-Komödie von Eugène Labiche. Im Libretto blieb viel von der sprachlichen Qualität und dramtaturgischen Rasanz des originalen Theatertextes erhalten. Es wirkt jedenfalls wie eine punktgenaue Übersetzung in Gesang. Die Musik Rotas geht dazu d'accord mit jeder Pointe, jeder zufallenden Tür, jedem über die Ohren gezogenen Hut, mit jedem Aufseufzen wenn die Liebe brennt oder weil das Wasser im Fußbad zu heiß ist.

Daniele Squeo am Pult der Grazer Philharmoniker verleiht den mit der Partitur „aufgelegten“ Effekten lebendigste Wirkung, Regiesseur Bernd Mottl lässt seine Puppen mit stupenden Gespür für ebendiese Wirkung tanzen. Jede Geste, jeder Augenaufschlag oder Boxhieb ist „in tune“ mit der frechen Musik. Ein Gutteil der Komik basiert auf Nino Rotas unverschämt wirkungsvollen An-Spielereien auf Verdi, Rossini, Puccini oder Bizet. Dass immer wieder schräge Töne dem Spaß in die Parade fahren, und man auch mal Schostakowitsch zu hören vermeint, verhindert simple Aneinanderreihung von Zitatenwerk.

Jede Figur der wilden Hut-Jagd ist zugleich ein Prototyp der Operngeschichte. Die Sängerinnen und Sänger in der Oper Graz zeigen stimmliche und darstellerische Größe voll Wendigkeit, Spiellust und Virtuosität: Piotr Buszewski gibt stimmlich wendig und mit dem tenoralen Schmelz eines klassischen Spieltenors den charmanten (wenn auch sehr nervösen) Fadinard. Tetiana Miyus trägt als dessen Braut Elena die Partie großen treuen Liebenden. Ihr Vater, der bäuerliche Nonancourt, wird von Daeho Kim als Buffo-Bass mit viel Selbstironie und feiner Tiefe im Timbre gespielt. Anna Brull spielt sich einfach großartig auf als kulturaffine Baronin de Champigny. Andżelika Wiśniewska und Dariusz Perczak sind charmant als „ehebrecherisches“ Paar Anaide/Emilio. Dem betrogenen Gatten Beaupertuis gibt Ivan Oreščanin tragische Größe.

Ein Hut gehört in eine Hutschachtel. Und aus überdimensionalen Hutschachteln, feinste Papeterieware in jugenstiligem stilvollem Schwarz-Weiß-Dekor, schuf Friedrich Eggert das Bühnebild. Große, kleine, behäbige Schachteln (auch eine schlanke für das Wächterhäuschen in den Straßen von Paris) lassen sich öffnen und offenbaren bei aller Einheitlichkeit höchst verschiedene Locations. Ein Meisterwerk, dieses Bühnenbild.

Also der Hut wurde gefressen. Der gleiche Hut muss, egal wie und woher, aufgetrieben werden, weil ohne diesen sich die Dame nicht zum eifersüchtigen Gatten heimtrauen kann. Der junge Fadinard schafft es grad' noch auf's Standesamt. Und geht dann, die bäuerliche Hochzeitsgesellschaft im Schlepptau, auf Hutjagd bis Paris.

Dort verweist eine Modistin auf eine Baronin (ein Musterstück Stroh hat das Pferd ja übriggelassen). Die Baronin de Champigny aber hat den cappello di paglia ihrer Patentochter geschenkt. In deren Haus wartet – ja genau – der betrogene Ehemann der Dame ohne Hut. Und in deren Schlafgemacht richtet die Hochzeits-Gesellschaft, die längst die Orientierung verloren, der müden Braut das Brautbett... Dabei hätte man sich all das sparen können, hätte jemand in die große runde Schachtel geschaut, die Onkel Vezinet (Martin Fournier hat nicht viel zu singen) ganz am Anfang dahergebracht hat. Zum Glück, hat keiner hineingeschaut, sonst wäre die Oper ausgefallen. Wäre echt schad gewesen! Vielleicht war das Ganze aber auch nur ein Albtraum

Der Florentinerhut – Aufführungen in der Oper Graz bis 23. Juni – www
Bilder: Oper Graz / Werner Kmetitsch
Die CD-Aufnahme der aktuellen Produktion von Nino Rotas Il cappello di paglia di Firenze beim Record Label Capriccio hat eine 5-Sterne-Kritik im BBC Music Magazine erhalten, meldet die Oper Graz. Die CD ist im Ticketzentrum erhältlich  oper-graz.buehnen-graz.com

 

 

 

 

 

 

 

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