Genesis-Projekt

NATIONALBIBLIOTHEK / BUCH RESTAURIERUNG

26/03/19 Und sie sah, dass es wieder gut war... Ein Schöpfungswerk mit besonderem Anspruch hat die Nationalbibliothek vollendet. Im Gegensatz zum lieben Gott, der sieben Tage für seine Schöpfung brauchte, brauchten seine Geschöpfe drei Jahre um einen der kostbarsten Schöpfungsberichte der Buch-Geschichte zu retten.

Von Heidemarie Klabacher

Die Wiener Genesis wurde im 6. Jahrhundert mit Silbertinte auf purpurgefärbtes Pergament geschrieben und mit faszinierend lebendigen detailreichen Miniaturen bemalt. 1400 Jahre lang hat der Zahn der Zeit daran genagt. Jetzt ist das unschätzbare Manuskript von einem Team internationaler Experten in der Österreichischen Nationalbibliothek restauriert worden.

Die Genesis ist das erste Buch der Bibel und erzählt die Schöpfungsgeschichte. Die Wiener Genesis ist eine als Fragment erhaltene griechische Handschrift des ersten alttestamentlichen Buches, geschrieben im 6. Jahrhundert vermutlich im Nahen Osten. Berühmt ist das wertvolle Unikat für seine seine 48 Miniaturen: „Der biblische Buchmalereizyklus ist der reichste aus der Übergangszeit zwischen Antike und Mittelalter“, heißt es in der Aussendung der Österreichischen Nationalbibliothek, wo das unschätzbare Manuskript im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekt drei Jahre lang erforscht und restauriert worden ist.

Seine eigene Kostbarkeit wäre dem Buch-Fragment beinah zum Verhängnis geworden: Der Text wurde in Silbertinte auf purpurgefärbtem Pergament geschrieben. Diese Mischung kann verhängnisvoll sein, setzen sich über die Jahrhunderte chemische Prozesse in Gang: „Die Korrosion dieser Tinte hat ihr Medium, das Pergament, im Lauf der Jahrhunderte angegriffen.“ Von solchem „Tintenfraß“ sind auch weniger spektakuläre alte Bücher und Handschriften immer wieder betroffen: Die Inhaltsstoffe der Tinten – auch etwa gewöhnlicher Eisen-Gallus-Tinten – reagieren chemisch mit dem Beschreibstoff. Zerfressen werden Papier wie Pergament. Im Rahmen des wissenschaftlichen Projekts mit dem etwas sperrigen Titel „Die Wiener Genesis (Cod. Theol. Gr. 31): Materialanalyse und Konservierung einer spätantiken illuminierten Handschrift auf Purpurpergament“ wurden das Pergament, die Silbertinten, die Pigmente und Farbstoffe intensiv untersucht.

Unzählige spannende Fragen wurden gestellt und beantwortet: Wie wurde in der Antike das Pergament hergestellt? Wie ging die Purpurfärbung vonstatten. Woraus bestehen die Farben, mit denen die Bilder gemalt wurden? „Durch die erstmalige Identifizierung der Pigmente war es möglich, die Malerpaletten von sieben verschiedenen, an der Illustration der Handschrift beteiligten Künstlern zu unterscheiden“, lautet eines der erstaunlichen Ergebnisse.

Auf Basis solcher Erkenntnisse wurde die Handschrift umfassend konserviert. Säurefreie Passepartouts ersetzen jetzt die Acrylglasplatten, zwischen denen die Wiener Genesis seit 1975 aufbewahrt wurde. Dass die Handschrift erst ab jetzt in kontrolliertem Klima gelagert wird, verwundert doch ziemlich. Ist sie bist jetzt „offen“ im Regal herumgelegen? Jedenfalls trügen die konservatorischen Maßnahmen „zur langfristigen Erhaltung des wichtigen Zeugnisses spätantiker Buchkunst“ bei.

Erstmals entdeckt wurde der Silberfraß übrigens schon im Jahr 1664, als die 24 Pergamentblätter in die Hofbibliothek eingeordnet wurden. Das kann man im Forschungsblog auf der website der Nationalbibliothek nachlesen. Ab 1895 wurden die Blätter zwischen Glasplatten aufgehoben, ab 1974 zwischen Acrylglas.

Das internationale Forschungsprojekt wurde vom Institut für Restaurierung der Österreichischen Nationalbibliothek im April 2016 begonnen und erst 2019 abgeschlossen. Finanziert wurde es vom Wissenschaftsfonds FWF. Projektpartner waren u.a. das Kunsthistorische Museum, die Technische Universität und die Universität für angewandte Kunst in Wien.

Österreichische Nationalbibliothek - hier kann man die digitalisierten Blätter der Wiener Genesis im Detail studieren - digital.onb.ac.at
Bilder: Österreichische Nationalbibliothek