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Mozarts Zauberflöte und die Gleichberechtigung der Geschlechter

REST DER WELT / WIEN / ZAUBERFLÖTE

19/09/17 René Jacobs und Torsten Fischer haben für das Theater an der Wien eine neue Zauberflöte zur Saisoneröffnung erarbeitet. Musikalische Frische, eine ausgewogene Besetzung und der Regieappell für mehr Toleranz ergeben einen Abend aus einem Guss. Viel Applaus für alle Beteiligten.

VON OLIVER SCHNEIDER

In Salzburg haben Teodor Currentzis und Peter Sellars mit Mozarts „La Clemenza di Tito“ experimentiert. René Jacobs und Torsten Fischer wagen sich bei ihrer Zauberflöte auch auf dieses Feld, indem sie die Rezitative melodramatisieren, sie zum Teil verschieben. Und indem sie ein anderes Werk integrieren. Während der Ouvertüre erzählt Fischer die Vorgeschichte: Von Paminas Vater geht alle Macht auf Sarastro (rollendeckend Dimitry Ivaschenko) über, während ihrer Mutter, der Königin der Nacht, nur der materielle Reichtum bleibt. Die Ungleichheit der Geschlechter wird zementiert und stellt in der Folge das Grundübel der Intoleranz in der Gesellschaft dar. Fischer und Jacobs unterbrechen für die Schilderung die Ouvertüre bei den drei Freimaurer-Hornakkorden und verschieben den Rezitativ-Text der Königin aus dem zweiten Akt vor ihrer Rachearie an diese Stelle.

Tamino (noch zurückhaltend, aber mit Noblesse: Sebastian Kohlhepp) ruft nicht aus Furcht vor einer Schlange um Hilfe, sondern fühlt sich von ihn umgarnenden Frauen verfolgt. Gespielt wird in einer schwarz-weißen, zeitlosen Bühnenwelt mit verstellbarem Bühnenboden (Ausstattung: Herbert Schäfer und Vasilis Triantafillopoulos). Dank eines Deckspiegels können zusätzlich Paminas Bild und Schriftzüge auf den Boden projiziert werden. In der Welt tanzt nur der Naturmensch Papageno aus der Reihe mit neongrünen Socken und Sportschuhen sowie einem ebensolchen Zelt. Daniel Schmutzhard kostet das Wienerische in den Dialogen genüsslich aus und ist als Vogelfänger gleichermaßen ein sich nach Liebe Sehnender wie der Spaßmacher vom Dienst. Zu seinem Auftrittslied zwingt ihn die Regie unnötigerweise zum Springen und Saltoschlagen in der Luft – selbstverständlich gesichert –, was leider dazu führt, dass ihm der Atem zum Singen wegbleibt. Katharina Ruckgaber gibt seine Papagena mit ebenso viel Witz wie Schmutzhard.

Die freimaurerische Symbolik interessiert Fischer nicht, dafür umso mehr der Aufruf zur Toleranz bei Mozart – und auch durch die Freimaurer. Indem er und Jacobs Tamino zu Beginn des zweiten Akts die auch 1791 entstandene Kantate „Die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer ehrt“ auf den Text von Franz Heinrich Ziegenhagen singen lassen, wandelt sich Sarastro schlüssig zum Gutmensch. Tamino singt vor einer Klagemauer, auf der Luigi Nonos Gedicht „Intolleranza“ in mehreren Sprachen und großen Lettern geschrieben ist, und im Kreis von Angehörigen der verschiedenen Weltreligionen und von Nichtgläubigen. Sie bilden den Chor der Priester (wieder bestens vorbereitet und darstellerisch mit Volleinsatz dabei: der Arnold Schoenberg Chor).

Nicht neu ist, dass die Königin im Grunde keinen schlechten Charakter hat. Sie weiß sich nur nicht anders gegen die Macht der Männer zu wehren, als ihre Tochter zum Mord anzustiften. Nina Minasyan gefällt in ihrer zweiten Arie mit blitzblanken, messerscharfen Koloraturen. Monostatos – am ganzen Körper mit Tattoos bedeckt – steht ebenso am Rande der Gesellschaft wie die Königin. Aus Verzweiflung, weil Pamina (schön abgerundet: Sophie Karthäuser) ihm nicht ihre Liebe schenken will, entfacht er mit Benzin ein Feuer und will sich in die Flamme stürzen. Pamina rettet ihn, sodass Mozarts Feuerprobe zur Probe ihrer Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft wird. Monostatos und der Priester bilden übrigens auch das Duo der hier weniger märchenhaften Geharnischten, die zusätzlich vom Chor unterstützt werden.

Pamina und Tamino sind junge, heutige Menschen, die den Drang nach einer besseren Welt in sich spüren und ihren Beitrag dazu leisten wollen. Auch die drei Knaben haben nichts Übernatürliches an sich. Konventioneller gezeichnet sind die drei, nicht immer ganz homogenen Damen (Brigitte Christensen, Kai Rüütel, sehr gut Katharina Magiera).

Für René Jacobs ist ein Zauberflöte-Dirigat schließlich eine Herzensangelegenheit. Dafür muss man nur sein glückliches Gesicht während der fast dreistündigen Spieldauer anschauen. Auf der Stuhlkante sitzend, folgen die Musikerinnen und Musiker der Akademie für Alte Musik Berlin seinen uneitlen Vorgaben. Sie spielen gleichermaßen mit Elan und Konzentration sowie immer mal wieder einem interessierten Blick auf die Bühne. Jacobs lässt sie Mozarts Musik verzieren, verlangsamen und beschleunigen, ganz wie es die szenische Dramatik erfordert. So klingt lebendiges Musiktheater.

Aufführungen bis 28. September – www.theater-wien.at
Bilder: Theater an der Wien/Herwig Prammer

 

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