Revueoper mit Startenor

REST DER WELT / LEHAR-FESTIVAL / KAISERIN JOSEPHINE

14/08/17 Eine Operette? Eine heitere Oper mit einer formidablen Krönungsszene als Finale? Was auch immer, Emmerich Kálmáns Spätwerk „Kaiserin Josephine“ erlebte beim Lehár Festival in Bad Ischl am Wochenende (12./13.8.) eine semikonzertante Premiere, die vom Publikum bejubelt wurde und das eigenartige Werk dokumentiert.

Von Gottfried Franz Kasparek

Die späte Operette der 1930er-Jahre entwickelte sich einerseits zur musicalhaften Revue, andererseits zur großen Gesangsoper traditionellen Zuschnitts. Franz Lehárs 1934 in der Wiener Staatsoper uraufgeführte „Giuditta“ ist das Paradebeispiel für den zweiten Weg, auch Eduard Künneke landete im Jahr darauf in der Berliner Staatsoper mit „Die große Sünderin“ einen Erfolg. Beide Stücke waren vor allem Startenören, Richard Tauber und Helge Rosvaenge, in die Kehlen geschrieben. Da wollte Kálmán nicht nachstehen und schrieb „Kaiserin Josephine“, einen genialischen Zwitter, der 1936 in Zürich ohne Startenor, aber mit einer Rolle für einen solchen, das Licht der Bühne erblickte – und seitdem kaum jemals wieder fand.

Es geht um jene kreolische Witwe Josephine Beauharnais, die Napoleons erste Gattin und Kaiserin war. Es geht um große Liebe, große Eifersucht, große Ver- und Entwirrung. Es gibt ein Buffopaar, welches alles gleichsam im komischen Spiegel erlebt. Die Politik spielt mit, immerhin darf Talleyrand intrigieren. Die Hauptfiguren sind reduziert auf ein Liebespaar, Bonaparte auf einen maßlos in die schöne, aber sehr kokette Josephine vernarrten Kriegshelden.

So weit, so operettig. Doch in der wieder entdeckten, süffig instrumentierten, mitunter an Korngold erinnernden Partitur gibt es nicht nur schmissige Buffoduette und schmachtende Tenorarien, glühende Liebeszenen und einen prächtig synkopierten Walzer, sondern auch ein martialisches Kriegslied für Gut und Blut und Heimat. Nun ja, da geht es um Frankreich und Kálmán war über jeglichen Faschismus-Verdacht erhaben. Diese Stimmung lag einfach in der Luft. Und das Ende bildet eine veritable Krönungsszene, sehr opernhaft und pompös gestaltet.

Für die Bühne dürfte das dramaturgisch fragwürdige, uneinheitlich zwischen Revue und groß gedachtem Musiktheater pendelnde Stück kaum zu retten sein, aber eine CD-Dokumentation ist es allemal wert. Mögen die Melodien auch nicht mehr so frisch und frech sein wie in der „Csardasfürstin“, sie haben das gewisse Prickeln und im Grunde magyarisches Feuer. Und dass Kálmán ein Studienkollege Bartóks gewesen ist, daran darf man phasenweise denken.

Marius Burkert an der Spitze des auf den Bühne sitzenden, um Instrumente wie Gitarre und Saxophone verstärkten, famos aufspielenden Franz Lehár Orchesters, leitete den Abend mit höchster Kompetenz und liebevoller Einfühlung, der Chor gab sein Bestes und Regisseur Leonard Prinsloo bewies wieder einmal, dass man auch mit einfachsten Mitteln am Laufsteg packend choreographiertes Theater machen kann.

Dem großen Ensemble gilt ein Pauschallob. Alle sind mit Temperament und Können bei der Sache. Roman Martin (Korporal Bernard) zeigte sich wieder einmal als spritziger, durchtrainierter und charmant singender Buffo, Theresa Grabner (Juliette) als exzellente Partnerin mit besten Soubrettentönen. Ischls Primadonna Miriam Portmann brachte das Kunststück zusammen, Josephine wie eine lebendige Person erscheinen zu lassen, und trumpfte mit metallisch gewordenem Sopran mächtig auf. Vincent Schirrmacher teilt mit Napoleon die Körpergröße. Seit seinem Ischler Sensationserfolg als Sou Chong 2009 ist er zum Startenor der Wiener Volksoper geworden und singt dort jetzt Manrico oder Kalaf. Kein Wunder also, dass manche Höhen heroisch legiert klingen, aber er ist nach wie vor zu lyrischem Ausdruck begabt und ein strahlender Ritter vom hohen C. Er dominiert den ganzen Abend, „Liebe singt ihr Zauberlied“ ist ein echter Schlager und eigentlich sollte das Stück eher „Napoleon“ heißen, so viel hat dieser tenorale Held zu singen.

Überhaupt, dass sind trotz einiger Striche über zwei Stunden Musik und mit kompletten Sprechtexten würde der Abend Wagner-Länge erreichen. Oper? Operette? Eine „Revueoper“ könnte man das nennen, mit einfach hörenswerter Musik. Die letzte von Michael Lakner geplante Saison fand damit ihren gloriosen Abschluss. Thomas Enzinger hat das Ruder übernommen und 2018 gibt es „Das Land des Lächelns“ zum 70. Todestag Lehárs und Abrahams Revueoperette „Die Blume von Hawaii“.

Der Mitschnitt von „Kaiserin Josephine“ wird nächstes Jahr bei cpo erscheinen.
www.leharfestival.at
Bild: Lehàr Festival / Foto Hofer