Langes Warten auf den Bräutigam

REST DER WELT / INNSBRUCK / IL RITORNO D'ULISSE IN PATRIA

11/08/17 450. Geburtstag von Monteverdi auch in Innsbruck: Am Donnerstag (10.8.) wurden die Festwochen für Alte Musik mit „Il ritorno d’Ulisse in patria“ in einer musikalisch und szenisch rundum gelungenen Aufführung eröffnet.

Von Oliver Schneider

Das auf Homers Odyssee beruhende Libretto stellt nicht so sehr Helden in den Mittelpunkt, sondern seine ihn auf Ithaka erwartende Gattin Penelope. Beim norwegischen Regisseur Ole Anders Tandberg wartet eine in einen Dornröschen-Schlaf versunkene Hochzeitsgesellschaft samt Braut Penelope auf den in Troja Krieg führenden und danach aufgrund von Götterintrigen zwanzig Jahre umherirrenden Odysseus. Für „sein“ Ithaka hat Tandberg Ideen in seiner Heimat gefunden, unter anderem einem Restaurant mit dem symptomatischen Namen „Olympen“, das jetzt in Innsbruck die Götterfamilie führt (Bühne: Erlend Birkeland). Damit den Damen und Herren noch ein letzter Rest göttlicher Würde verbleibt, verpasst ihnen Kostümbildnerin Maria Geber Engelsflügel.

An der Hochzeitstafel ist der eigentliche Grund des Festes längst vergessen. Penelopes, in Liebesspielen aktive Dienerin Melanto (ansprechend Vigidis Unsgård) vergnügt sich mit ihrem Geliebten Eurimaco (schlank Petter Moen) unter dem Tisch, während die drei Freier Antinoo, Pisandro und Anfinomo alles unternehmen, um die wartenden Penelope für sich zu erobern. Mal als Seeleute verkleidet, mal als rappende Phäaken bilden sie gemeinsam mit dem Schmarotzer Iro (Carlo Allemano) die dritte, volksnahe und ein bisschen derbe Spielebene des 1640 in Venedig uraufgeführten Werks. Deshalb dürfen sie auch dreibeinig zum eingefügten Madrigal „Zefiro torna“, weil original nicht für das ganze Libretto Musik vorhanden ist, die Tanzbeine schwingen.

Penelope wehrt sich standhaft gegen alle Verlockungen (stimmlich edel Christine Rice). Ja, sie will nicht einmal ihren echten Odysseus wiedererkennen, als er nach vielen Prüfungen als Bettler verkleidet an den Hof zurückkehrt. Den Aufschneider Iro besiegt er mühelos im Ringkampf. Während die Freier nicht in der Lage sind, Odysseus‘ Bogen zu spannen, ist das für den Verkleideten natürlich ein Kinderspiel. Aber nichts kann Penelope bewegen – auch nicht die Beteuerung der Amme. Zu sehr hat sie sich an die Liebe in der Erinnerung gewöhnt, zu groß ist die Unsicherheit, nun mit dem echten Odysseus (immer noch überzeugend in der Partie Kresimir Spicer) einen Neustart zu wagen. Erst nach Odysseus‘ Preisgabe eines Geheimnisses zu ihrer Bettdecke lässt sie sich auf das Wagnis ein, auch wenn Monteverdi im berückenden Schlussduett der beiden musikalisch den Zweifeln weiter Ausdruck verleiht.

Dass Tandbergs Ulisse in Norwegen spielt, lässt sich, neben dem Link zum real existierenden Restaurant und in erster Linie mit der Zeitlosigkeit des Stoffes begründen. Aber es scheint auch, dass er eine gewisse Vorliebe dafür hat, Handlungsorte seiner Inszenierungen in sein Heimatland zu verlegen (ebenso La bohème 2015 in Zürich). Gut ist, dass er immer wieder versucht, bewusst Brechungen zwischen Text und Bühne zu suchen, ebenso gelungen sind die Personenführung und -zeichnung. Erwähnt sei deshalb noch Odysseus‘ ebenfalls zurückkehrender Sohn Telemachos, dem man das Fehlen einer leitender, strengen Vaterhand anmerkt (geschmeidig und viril der Counter David Hansen).

Monteverdis Werk lässt szenisch vieles zu, genauso wie es dem Orchester und dem Dirigenten viele Möglichkeiten eröffnet. Da nur eine Abschrift mit Gesangs- und Basslinie vorliegt und dies auch nicht für das gesamte Libretto, muss für jede Aufführung eine neue Spielfassung erstellt werden. Alessandro De Marchi hat auf der Basis des zeitgenössischen Instrumentariums Monteverdis Vorgaben durch Farben und Kontraste so angereichert, dass sich die drei Spielebenen Götter – Odysseus/Penelope – Nebenfiguren deutlich unterscheiden. Die raschen, mal feinen, mal abrupten Wechsel in Tempo, Harmonie und Ausdruck kommen klar und spannungsvoll zum Ausdruck, die Academia Montis Regalis imponiert mit einer souveränen Leistung. Viel Applaus nach einem kurzweiligen Abend.

Weitere Weitere Vorstellungen am 12. und 14. August. Weitere szenische Produktionen: Pygmalion von Jean-Philippe Rameau am 20. und 21. August. Die römische Unruhe, oder Die edelmütige Octavia von Reinhard Keiser am 22., 25. und 26. August mit René Jacobs am Pult – www.altemusik.at
Bilder: Innsbrucker Festwochen / Rupert Larl