In den Gewässern des Belcanto

REST DER WELT / FESTIVAL IMMLING / L'ELISIR D'AMORE

04/07/16 Regisseurin und Bühnenbildnerin Verena von Kerssenbrock lässt Donizettis „Liebestrank“ auf dem Deck eines großen Kreuzfahrtschiffes spielen. Von der Brücke steigt die Kapitänin Cornelia von Kerssenbrock in weißer Uniform in den Orchestergraben und gibt den mit Badekappen behüteten Musikern den Einsatz zur Ouvertüre mit dröhnender Schiffstute.

Von Elisabeth Aumiller

Nach und nach gehen aus dem Zuschauerraum die Feriengäste an Bord. In bunter Couleur und Zusammenwürfelung vielfältigster Provenienz platzieren sie sich auf den zahlreichen Liegestühlen und erweisen sich im Verlauf als fabelhaft singender Chor. Die Komödie kommt ins Rollen. Die Schiffsanimateurin Adina erzählt den Urlaubern die Geschichte von Tristan und Isolde, die mit Hilfe eines Zaubertranks zum leidenschaftlichen Liebespaar werden. Der unsterblich in Adina verliebte Bordjunge Nemorino wird von der Schönen abgewiesen, weil ihr der sich mit ihr fröhlich im „Swimming Pool“ tummelnde Soldat Belcore draufgängerische Heiratsavancen macht. Nemorino imaginiert sich mithilfe zweier lustiger Handpuppen die liebevolle Vereinigung mit Adina. Aus dem gewaltigen Schiffsschlot entsteigt der Quacksalber Dulcamara, im lässig aufgeputzen Outfit eines sagenumwobenen Kapitäns, gibt sich als magischer Doktor aus und möchte Schönheitsmittel für die „ewige Jugend“ verkaufen. Von ihm erhofft sich der traurige Bordjunge eine Möglichkeit, durch solch magisches Elixier die Liebe Adinas gewinnen zu können. Dulcamara dreht ihm gewöhnlichen Rotwein an, aber Nemorino glaubt so fest an dessen Wirkung, dass ihm am Ende Adinas Herz zufliegt, nachdem er so plötzlich von der sämtlichen anwesenden Weiblichkeit umschwärmt wurde. Dass diese Anziehungskraft dem Umstand zu verdanken ist, dass der Bordjunge ein reicher Erbe geworden ist, tut der Placebowirkung des Rotweins keinen Abbruch. Dulcamara verkauft reihenweise sein „Liebeselixier“an die begierigen Urlauber, während die Liebe zwischen Adina und Nemorino jetzt echten Tiefgang bekommt.

Das junge Sängerensemble punktet mit hochkarätigen Leistungen, gesanglich wie darstellerisch. Der junge chinesische Tenor Chuanliang Wang ist ein bezaubernder Nemorino mit schönem Timbre, besticht mit erstklassig geführtem Stimmeinsatz, ausglichen durch alle Lagen und mit glänzender Höhe. Zudem ist er stark in der nuancierten und farbenreichen emotionalen Ausdrucksskala. Hier kündigt sich eine viel versprechende Karriere an.

Die reizende Adina der jungen Italienerin Elisa Cenni steht ihm nicht nach, ist darstellerisch spritzig und gefällt mit glockenklarem tragfähigem Sopran, geläufiger Koloratur, Höhenbrillanz und sympathischer Bühenpräsenz. Der Italiener Sergio Foresti gibt den Dulcamara als Erzkomödiant, zeigt stimmliche Potenz mit wohlklingendem flexiblem Bass. Sein Landsmann Carlo Cecchi macht als selbstbewusster Belcore viel Wind um seine soldatische Persönlichkeit, hält sich für unwiderstehlich, hechtet elegant ins imaginäre Schwimmbecken und ist stimmlich ein forscher Baritonheld. In der kleinen Rolle der Gianetta reüssiert die junge Mozarteum-Studentin Anastasia Churkova mit klingendem Sopran und sympathischer Präsenz. Flotte tänzerische Elemente steuern die Meerjungfrau von Tanja Hohner und der Krake von Patrick Ziekes bei. Last but not least gebührt der Kapitänin Cornelia von Kerssenbrock und dem Festivalorchester Immling großes Lob für eine spritzige, dynamische und spannungsreiche musikalische Auslotung des melodischen Reichtums in Donizettis Partitur. Ein Abend, der Freude macht in seiner Geschlossenheit, Unbeschwertheit, musikalischen und sängerischen Qualität.

21. Festspiele Immling bis 13. August. Aufführungen von „L'elisir d'amore“ bis 4. August - www.gut-immling.de
Bilder: Festspiele Immling/ Verena von Kerssenbrock