asdf
 

Sinfonie einer Kulturstadt

REST DER WELT / LUZERN

23/09/15 Ein sehr sympathischer Geselle betritt die Bühne im Luzerner KKL, ein wenig ähnelt der Mann Woody Allen. Tatsächlich zeigt Tod Machover ein paar Filmschnipsel und ergänzt sie durch witzige Kommentare, doch merkt man rasch, dass es dem amerikanischen Komponisten und Computertüftler auch um etwas sehr Ernstes geht, nämlich die Erweiterung des gewohnten musikalischen Raums um gleich mehrere Parameter.

Von Jörn Florian Fuchs

Vor über einem Jahr begann Machover in Luzern Töne zu sammeln, Einwohner um Klangspenden zu bitten oder Hinweisen auf ungewöhnliche akustische Ereignisse nachzugehen. Er zeichnete Kuhglocken und Kirchenglocken, Jodeln und Kinderchöre, Orgelbrausen und – vor allem – viele Wassergeräusche auf. Denn Luzern ist eine Stadt des nassen Elements, mit dem eher ruhigen Vierwaldstättersee und der meist ziemlich laut fließenden Reuss. Über eigens programmierte Apps konnte man Machovers am Bostoner MIT stehenden Rechner mit selbst erzeugten oder vorgefundenen Klängen versorgen, Machover gab unterdessen Unterricht für Schulkinder ebenso wie für Nachwuchskomponisten und bastelte fleißig an seiner knapp halbstündigen Sinfonie, die jetzt beim Lucerne Festival uraufgeführt wurde.

Es ist ein Gemeinschaftswerk, beim dem die Frage nach Urheberschaft gar keine so zentrale Rolle spielt. Wenn ein Kinderchorist eine Melodie erfindet und diese vom Komponisten in einen größeren Kontext gesetzt wird, wem „gehört“ sie dann eigentlich? Eher unwichtig, denn die „Sinfonie für Luzern“, brauchte – und hatte – letztlich jemanden, der aus allen unterschiedlichen Elementen einen Bogen formt. In acht Sätzen geht es durchs Stadtgetümmel, auf Almen oder ans beziehungsweise ins Wasser. Das Lucerne Festival Academy Orchestra unter Matthias Pintscher ist für große symphonische Bögen aber auch schräge Töne im Stile Kurt Weills und Zeitgenossen zuständig, aus dem Rechner werden voraufgezeichnete Geräusche zugespielt. Höhepunkt ist zweifellos jedoch die Verschmelzung von fix notierter Komposition und plötzlich sehr lebendig in den Konzertsaal einbrechenden Fasnachtsmusikern der Gilde „Barfuessfäger“ – auch so tönt Luzern!

Im Gegensatz zu vielen Kollegen versteht Machover den Computer als Mittel zum Zweck, weniger als eigenständiges Element. Dies ist besonders interessant, weil auch der für Luzern so zentrale Pierre Boulez in seinen Werken Elektronik vorwiegend „dienend“ einsetzte und es ihm weniger um reine Klangatmosphären ging.

Nicht nur in der „Sinfonie für Luzern“ erwies sich Tod Machover als würdiger, zudem größere und neue Publikumsschichten erobernder composer-in-residence.

Erstmals wurde in diesem Sommer der Fritz-Gerber-Award verliehen. Drei junge, herausragend begabte Musiker erhielten jeweils 10.000 Schweizer Franken als Preisgeld und die gleiche Summe nochmals für ein Stipendium bei der Lucerne Festival Academy. Flötist Rafal Zolkos brillierte in Philippe Hurels stürmischen „Loops I“, Klarinettistin Mariella Bachmann bei Bruno Mantovanis verästelt verspieltem Stück „Bug“. Dritter im Bunde war der fantastische Geiger David Sypniewski, er begab sich bei Benjamin Attahirs „Retour à Tipasa“ in einen sehr intensiven Dialog mit knisternd-knackiger Live-Elektronik.

Gratiskonzerte, Werkstattangebote, Veranstaltungen ohne Dresscode waren auch in diesem Jahr wieder Markenzeichen des Lucerne Festival. Die Konkurrenz könnte sich da wirklich das eine oder andere abschauen respektive abhören.

Informationen zum Festival: www.lucernefestival.ch
Touristische Informationen: www.luzern.com; www.MySwitzerland.com; Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! ; Tel. 00800 100 200 30 (gratis)
Hotelempfehlung: Rebstock & Hofgarten: www.rebstock-luzern.ch
Bilder: Lucerne Festival / Stefan Deuber

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014