Martin Grubinger macht auch in Luzern Furore

REST DER WELT / LUCERNE FESTIVAL (2)

17/09/13 Mit zwei Konzerten der Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Lorin Maazel ging der auch programm- und zahlenmäßig erfolgreiche Festspielsommer in Luzern zu Ende.

Von Oliver Schneider

018Irgendwann hat alles ein Ende, auch die Festspielsaison. Ermüdungserscheinungen schienen sich sogar beim Luzerner Publikum breit zu machen, das sich am Samstagabend (15.9.) nach der Achten Bruckner in der zweiten Fassung mit den Wiener Philharmonikern unter Lorin Maazel recht kühl gab. Das war ungewöhnlich, denn normalerweise erhebt es sich rasch für Standing Ovations. Sei es drum, Maazels Interpretation und das Spiel der Wiener hätten einen größeren Zuspruch verdient. Anders als zuletzt Thielemann wirkt Maazels Bruckner nüchterner und zügiger musiziert, obwohl der Blick auf die Uhr am Schluss des Konzerts dies nicht bestätigte. Im Gegenteil, rund 95 Minuten brauchten er und die in bester Verfassung spielenden Wiener für Bruckners letzte Sinfonie mit einem groß angelegten Finalsatz.

Schlank und geradlinig entfaltete sich der erste Satz, in dem Maazel auf jugendlich-„dynamische“ Tempi setzte. Wunderbar war wiederum im Adagio, wie der vor 55 Jahren erstmalig nach Luzern eingeladene Dirigent die Musik in den Pausen weiteratmen ließ, ohne dass der Spannungsbogen abfiel.

Über weite Strecken entstanden Klangbilder von großer Transparenz und organischer Dynamik, und gleichwohl stellte sich jederzeit ein runder, auf das Finale fokussierter Gesamtklang ein. Nur die beiden Harfen – zum Beispiel am Ende des Trios – sowie Klarinetten und Oboen hatten es manchmal schwer, sich durchzusetzen. Aber vielleicht lag das auch am Platz im hinteren Parkettteil im Luzerner Konzertsaal.

019Wermutstropfen an diesem Abend war, dass der Schwung im Finale ein wenig nachließ, dass die Steigerungswellen nicht wirklich in eine Schluss-Apotheose mündeten. Man wollte nicht glauben, dass das Werk vorbei war. Und Maazel liess die Arme so schnell sinken, dass wenige Sekunden nach dem Verklingen des letzten Tons bereits der brave Applaus einsetzte. Ohne dass man das Gehörte für sich geistig abgeschlossen hatte.

Die Schlussbilanz des vierwöchigen Lucerne Festivals Sommer klingt ähnlich positiv wie jene in Salzburg. Die Gesamtauslastung lag bei rund 94 Prozent und damit um rund 4 Prozent höher als an der Salzach. Wobei die Auslastung auch hier nicht mit den zahlenden Besucherinnen und Besuchern gleichzusetzen ist. Und natürlich waren mehr Besucher in die Leuchtenstadt gepilgert als im Vorjahr. Das größte Interesse galt naturgemäss den Konzerten des Festival Orchestras unter der Leitung von Claudio Abbado, dann folgten die ersten beide Abende des konzertanten Rings unter Jonathan Nott mit den Bamberger Symphonikern sowie die Konzerte der Berliner Philharmoniker.

Erfreulich ist, dass die Moderne in Luzern großen Zuspruch findet. Auch hier wird eine Auslastung von 87 Prozent angegeben. 15 Uraufführungen waren zu erleben – und damit fast doppelt so viele wie im Vorjahr. In Luzern steht die Moderne nicht zuletzt dank der von Pierre Boulez geleiteten Festival Academy – heuer war sein Mitwirken allerdings krankheitsbedingt reduziert – auf gleicher Stufe wie die großen Sinfoniekonzerte. Das kann man sich für Salzburg ab 2016 nur wieder wünschen.

017Aus Salzburger Sicht von Interesse war, dass Martin Grubinger neben Mitsuko Uchida als „Artiste étoile“ eingeladen war. Im zweiten Konzert der Wiener Philharmoniker stand er im Mittelpunkt bei Friedrich Cerhas Konzert für Schlagzeug und Orchester. Das auf Anregung Grubingers komponierte Konzert hat der mittlerweile 30-Jährige 2009 mit dem Mozarteumorchester uraufgeführt, 2011 stand es auf dem Salzburger Festspielprogramm, und die Wiener Philharmoniker haben es auch schon in einem ihrer Abonnementskonzerte aufgeführt. Es ist jedes Mal wieder eindrücklich, Grubinger in dem dreisätzigen Werk zu erleben, wie er mit Verve die von unterschiedlichen Instrumentegruppen beherrschten Sätze mit Herzblut gestaltet. Den wilden Kopfsatz mit den Trommelwirbeln, den „Zauber-haften“, von Vibraphon, Glocken, Marimba, Gongs und Klangschalen dominierten zweiten Satz. Und schliesslich den raschen Schlusssatz, in dem Grubinger mit dem Xylophon im Orchester Zwiesprache hält. Hier konnten der Ausnahme-Schlagzeuger und sein Konterpart bei den Philharmonikern virtuos aufdrehen, bevor das erfreulich junge Publikum dem anwesenden Komponisten und dem bescheidenen Ausnahme-Schlagzeuger zujubelte. Als Zugabe spielte Grubinger einen Ragtime für Xylophon, bei dem er gleich noch mittanzte.

Nach der Pause gab es zum Abschluss Schostakowitschs Fünfte, die zumindest äußerlich dem „per aspera ad astra“-Prinzip (durch die Nacht zum Licht) verpflichtet zu sein scheint. Bis zum scheinbaren Jubelschluss entwarfen Maazel und die Wiener ein von Hoffnungslosigkeit geprägtes Klanggemälde mit bis ins Äußerste gedehnten Tempi. Dem samtigen Streichteppich sowie den hervorragenden Soli aus dem Orchester – erwähnt seien stellvertretend Konzertmeister Rainer Honeck und Soloflötist Dieter Flury – sei Dank, dass man auch die Lichtblicke im Werk zu hören vermochte. Brillant gespielt war schließlich die Schlusscoda, und gleichwohl war hörbar, dass Schostakowitsch hier im Innersten nur nach Freiheit rief.

Das Lucerne "Festival am Piano" findet von 16. bis 24. November statt, das nächste Oster-Festival von 5. bis 13. April 2014 und das nächstjährige Sommerfestival von 15. August bis 14. September 2014 -www.lucernefestival.ch
Bilder: Lucerne Festival / Priska Ketter
Zum ersten Bericht vom diesjährigen Lucerne Festival {ln:Die Reiseorchester gratulieren}