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Ein neuer Geschichtenerzähler

REST DER WELT / ZÜRICH / ROMEO UND JULIA

16/10/12 So wie in der Oper hat Zürich auch im Ballett auf etwas Neues gewartet. Mit Prokofjews „Romeo und Julia“ stellt sich Christian Spuck als Choreograf und Ballettdirektor im Zürcher Opernhaus dem Publikum vor.

Von Oliver Schneider

Restlos ausverkauft war das Opernhaus deshalb am Samstagabend zur Premiere von Christian Spucks erster Kreation für Zürich: „Romeo und Julia“ auf die Musik von Sergej Prokofjew. Spuck leitet das Ballett Zürich seit Beginn dieser Saison, und die Zusammenarbeit mit alten und vielen neuen Mitgliedern in der Compagnie zeigt bereits Früchte. Sein Rucksack ist auch prall gefüllt. Von 2001 an war er Hauschoreograf des durch John Cranko geprägten Stuttgarter Balletts, er ist international viel gefragt dank seiner Neubelebung des klassischen Handlungsballetts und erhielt zahlreiche renommierte Preise.

Doch erwähnen muss man auch, dass Spuck bei einer Compagnie einsteigen konnte, die sein Vorgänger Heinz Spoerli aus dem Nichts auf höchstes Niveau gebracht hat. Das durfte man diesen Sommer noch einmal bei den Salzburger Festspielen erleben. Ermüdungserscheinungen in seinen eigenen choreographischen Arbeiten in den letzten Jahren liessen sich wohl zwangsläufig nicht vermeiden.

Aber nun weht auch choreographisch ein frischer Wind, der sich vor allem in Spucks Bewegungssprache ausdrückt. Grand jetés, Pirouetten und das gesamte Bewegungsrepertoire des klassischen Balletts werden so mit Modern-Elementen verbunden, dass Ballett des 21. Jahrhunderts entsteht. Der klassische Tanz bildet eine von mehreren Grundlagen. Die Tänzerinnen und Tänzer erzählen Geschichten, machen Theater, womit Spuck knapp vierzig Jahre nach John Crankos Tod in dessen Fussstapfen getreten ist.„Romeo und Julia“ mit seiner zeitlosen Thematik bietet sich zum Gewöhnen an diesen Stil geradezu an.

Spuck lässt den Abend gemäss dem Theater-im-Theater-Prinzip durch eine heutige Compagnie im Ballettsaal erarbeiten. Mit klaren, direkten und harten Bewegungen und Gesten wird hier getanzt. Entsprechend schmucklos grau ist der von Christian Schmidt geschaffene hohe Balletttrainingssaal, der nur durch einen riesigen Luster während der Ballszenen eine gewisse Festlichkeit erhält. Die von Emma Ryott kreierten, vor allem schwarzen Kostüme nehmen die Sprache der Renaissance auf.

Die Geschichte erzählt Spuck, fast wie man sie kennt. Dank der hohen Dynamik gibt es bei ihm keine Leerläufe; hier wird nicht geschritten, herumgestanden, es gibt keine überflüssigen Aufmärsche. Alles, was die Solisten und das Corps de Ballett ausdrücken, machen sie tanzend, wobei Akrobatik auch ihren Platz findet. Das Ehepaar Capulet erhält eine interessante Deutung: Julias skrupellose Mutter (Eva Dewaele) ist nicht nur Tybalts Tante, sondern zwischen den beiden besteht auch eine Liebesbeziehung. Das Verhältnis zu ihrem Mann hingegen ist erkaltet. Nachdem Romeo Tybalt (Christian Alex Assis) im Duell getötet hat, muss sie sich einen neuen Verehrer und Liebhaber suchen. Die Wahl fällt auf den braven Intellektuellen Graf Paris (Jan Casier), den sie auch als Ehemann für Julia vorgesehen hat. Erwähnt sei auch die Amme (Viktorina Kapitonova), die trotz zumindest in der Rolle fortgeschrittenen Alters noch immer eine Frau ist, die gerne ihreweiblichen Reize ausspielt. Witz und Charme versprüht sie genau wie Mercutio (Egor Menshikov), der Tybalt bis zur Raserei herausfordert und schliesslich im Duell fällt.

Das tragische Liebespaar ist Spuck vom Neckar gefolgt: Katja Wünsche und William Moore. Sie sind bestens mit seinen Anforderungen vertraut. Wünsche und Moore sind zwei junge Liebende von heute, die sich schlussendlich erfolglos gegen die Fehden ihrer Familien und Freunde zur Wehr setzen. Wort und Gesang vermisst man bei ihnen nie, im Gegenteil, selten erlebt man so sprechende Körper. Man darf gespannt sein, welche Wirkung der Abend bei der vorgesehenenanderen Besetzung der beiden Hauptrollen entfalten wird.

Die für den Abend gewählt Fassung von Prokofjews wohl wichtigster Ballettmusik hat Christan Spuck gemeinsam mit dem Dirigenten des Abends Michail Jurowski erarbeitet, der mit der Musik seines Landsmanns bestens vertraut ist. Eine bessere Wahl hätte man nicht treffen können. Jubel auch für ihn und die hervorragende Philharmonia Zürich.

Man darf hoffen, dass die Pflanze „Ballett Zürich“weiter wächst. Ab 16. Februar 2013 wird ein dreiteiliger Abend mit Arbeiten von William Forsythe, Paul Lightfoot und Edward Clug, dem Direktor des Maribor Ballets, auf dem Programm stehen. Am 27. April folgt das für Stuttgart entstandene Handlungsballett „Leonce und Lena“ nach Büchner. Ergänzt wird das Programm durch einen Abend des Junior Balletts und eine Wiederaufnahme von Spoerlis Klassiker „Schwanensee“.

Nächste Vorstellungen 18. Oktober bis 28. November, 2., 7. und 13. Dezember. - www.opernhaus.ch, www.facebook.com/BallettZurich
Bilder: Zürcher Opernhaus / Monika Rittershaus

 

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