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Drei Sarkophage und drei Dobermänner

REST DER WELT / BASEL / ABRAMOVIC

19/06/12 Mit ihren Performances überschreitet Marina Abramovi? regelmäßig Grenzen. Sie bürstete ihre Haare so lange, bis die Kopfhaut blutete, oder saß 2010 im New Yorker MoMa 712 Stunden auf einem harten Holzstuhl und schwieg. - In Salzburg steht seit vielen, vielen Jahren schon ihre vergleichsweise harmlose Metallstuhl-Gruppe "Spirit of Mozart" an der Staatsbrücke.

Von Oliver Schneider

Von Ähnlichem bleibt das Publikum verschont, nur einige schwarz-weiß Videos verstören: zum Beispiel ein Auge, dessen Pupille mit einer Nadel durchstochen ist. Abramovi? will ihr Publikum aber gar nicht schocken, sondern dessen Horizont öffnen. Vor allem will sie seine Energie nutzen, um sich von Schmerz und Angst zu befreien.

Immer wieder steht das Theater Basel im Mittelpunkt des internationalen Interesses. So auch jetzt: Das von Robert Wilson gemeinsam mit Marina Abramovi? gemeinsam kreierte Gesamtkunstwerk „The Life an Death of Marina Abramovi?“ war hier zu sehen - in den einzigen Aufführungen im deutschsprachigen Raum.

Seit den 1970er-Jahren befasst die heute 65-jährige Marina Abramovi? sich auf der Bühne mit ihrer Biographie. Sie beauftragte mit Robert Wilson bereits den dritten Regisseur mit einer „Fassung“ für die Bühne: „The Life an Death of Marina Abramovi?“ wurde im Juli 2011 beim  Manchester International Festival uraufgeführt, Koproduktionspartner war neben dem Theater Basel auch das Teatro Real Madrid. Nun kam die Produktion also nach Basel.

Der Amerikaner Robert Wilson ist mit seinem erprobten Mix aus Lichteffekten, stilisierten und im Tempo gedrosselten Bewegungen von Körpern, die sich nicht berühren, Geräuschen und Musik ans Werk gegangen. Er beleuchtet die Vita der „Großmutter der Performance“, wie sich die aus Serbien stammende und heute in New York lebende Künstlerin bezeichnet, zunächst einmal chronologisch. Willem Dafoe ist der fesselnd berichtende Biograf, der sich als großer Stimmkünstler beweist und dabei an viele seiner Filmrollen erinnert.

Einschneidende Ereignisse und Szenen, die mehr über die Performerin sagen, unterbrechen den Zeitstrahl. Schmunzeln darf man, wenn Familie Abramovi? ihre erste Waschmaschine erhält. Marina Abramovi? spielt hier ihre eigene Mutter, deren beherrschende, nicht unproblematische Persönlichkeit immer wieder durch das bedrohliche Klacken der Schuhabsätze auf einem Steinboden symbolisiert wird.

Wie gesagt: Das Publikum wird nicht schockiert. Allzu viel Drastik würde auch nicht zu Wilsons hoch-ästhetischem Konzept passen, das sich erstaunlich gut mit den Performance-Elementen verbindet. Viel zur Wirkung des Abends tragen die Songs von Antony Hegarty und vor allem der klagende Gesang von Svetlana Spaji? bei, die mit ihren Liedern der serbischen Musiktradition die Reverenz erweist. Eine Frage stellt sich aber doch am Ende des Abends, nämlich ob dem Spektakel in seiner Gesamtheit nicht etwas Museales anhaftet.

Eingebettet ist der Abend in die Darstellung des Todes von Marina Abramovi?: Im Prolog stehen drei offene Sarkophage auf der Bühne, im mittleren liegt Marina Abramovi? selbst, in den anderen Doubles, und wartet auf ihre Beerdigung. Drei Dobermänner, mit denen Wilson auf einen alten tibetischen Bestattungsritus anspielt, schnüffeln friedlich am mit Knochen bestreuten Boden. Im Epilog werden die drei Frauen dann nach oben gezogen, nachdem in der Szene davor schon schwarze Engel auf das Ende hinweisen.

Die Produktion ist ab 22. Juni 2012 beim Hollandfestival in Amsterdam und danach in Antwerpen zu sehen - www.hollandfestival.nl, mif.co.uk
Bilder: Theater Basel / Lucie Jansch



 

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