Tsunami statt Meerungeheuer

REST DER WELT / PASSAU / IDOMENEO

23/02/11 Die kaum 120 Kilometer von Salzburg bis Passau lohnen sich: Beinahe auf den Tag genau 330 Jahre nach der Uraufführung gab es im reizvollen - ehemals bischöflichen - Opernhaus eine rundum überzeugende Premiere von Wolfgang Amadé Mozarts Oper „Idomeneo“.

Von Horst Reischenböck

altKV 366 ist ja nicht gerade oft zu erleben. Das Landestheater Niederbayern, das auch Straubing und Landshut bespielt, überzeugt nun in Passau mit einer szenisch und musikalisch anregenden Produktion.

Für Ausstattung und Regie zeichnet der den Brite David Ultz, der auch schon an der Bayerischen Staatsoper schn seine Handschrift hinterließ. Er filtert aus der antiken Vorlage das allgemein und überzeitlich Gültige: Liebe bis hin zur Selbstaufopferung, Leid, Eifersucht und Hass werden in unsere Tage transferiert.

So zeigt zur Ouvertüre ein Film aus 1963 den glücklichen Vater beim Frühstück mit seinem Kind. Ein Dutzend Jahre später ist der kretische Reeder verschollen. Sein jugendlicher Sohn erlässt jetzt dessen Konkurrenten aus Mitleid ihre Geiselhaft. Sie bemächtigen sich der im Gefängnis abgenommenen Gürtel und Sonnenbrillen und suchen das Weite.

altDas durchgehend klug und praktikabel einfach konzipierte Ambiente ist das eines besseren Wohnzimmers - inklusive dekorativem Schiffsmodell und, dahinter, John Singleton Copleys barockem Gemälde „The Return of Neptun“. Letzteres wird zum „Altarbild“.

Für die, angelehnt an die antike Tragödie, eher statischen kommentierenden Einwürfe des Chors in dunkler Abendgarderobe schwingt die Wand jeweils hoch. Zur Marcia im ersten Akt wird zum Auftritt Poseidons ganz einfach auf den Vorhang eine Art Einführung in die Mythologie projiziert: Da wird aus technischer und räumlicher Not weit mehr als eine Tugend gemacht. Später gibt’s illustrierte naturwissenschaftliche Erläuterungen zum Thema „Tsunami“, der die Insel verwüstet hat: So wird das Ungeheuer gedeutet, das der Meeresgott, den auch ein Opferschaf logischerweise nicht besänftigt.

Die Personenführung konzentriert sich ganz auf das Wesentliche. Schon Mozart hat, der dramatischen Zuspitzung der Konflikte wegen, rigoros gekürzt. Ihm standen in München die  hervorragenden Musiker der dorthin übersiedelten Mannheimer Hofkapelle zur Verfügung, was er im Anspruch an die Ausführenden weidlich nützte: Diesem Anspruch wurde nun die Niederbayerische Philharmonie respektabel gerecht, speziell in den immer wieder solistisch konzertierenden Einwürfen der Holzbläser. Aber auch die Violinen, die etwa in der Begleitung zu Arbaces Arie im dritten Akt „Se colà ne’ fati è scritto“ absolut gefordert sind.

altAlbertus Engelbrechts schlanker Tenor fügte sich ausgezeichnet ins Quintett der  Solisten ein: angeführt durch die Ilia von Melanie Schneider, die ihren Sopran voll Hingebung nicht zuletzt zart in „Zeffiretti lusinghieri“ verströmte. Wie in der Münchner Version ist die Rolle von Idomeneos Sohn Idamante einem Mezzo anvertraut: Sabine Noack überzeugte ausdrucksstark in dieser Hosenrolle, mitunter burschikos an Brigitte Fassbaender erinnernd. Jeffrey Nardone, im ersten Auftritt tatsächlich ein zerfranster Schiffbrüchiger unserer Tage mit Machete in Händen, lieferte als Titelheld seine Koloraturen dann im zweiten Akt in „Fuor del mar“ gleichfalls bravourös.

Als provozierender Vamp gestaltete Hege Gustava Tjonn Elektras Emotionen: lasziv und leidenschaftlich. Hege Gustava Tjonn ist von ihrer Zeit am Salzburger Landestheater positiv in Erinnerung - wie auch der Dirigent und musikalisch Verantwortliche Kai Röhrig. Er ist nach seinem Weggang aus Salzburg nun erster Kapellmeister der Niederbayerischen Philharmonie. Er vermittelte engagiert - auch am Cembalo assistierend - allen Ausführenden seine gepflegte Mozarttradition.

Vorstellungen im Stadttheater Passau bis 10. April. Zu sehen auch in Straubing (ab 22. Februar) und Landshut (ab 25. Februar) - www.suedostbayerisches-staedtetheater.de
Bilder: Landestheater Niederbayern / Peter Litvai