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Personifizierte Spannungsfelder

REST DER WELT / ZÜRCHER FESTSPIELE / SALOME

25/06/10 „Salome“ in Zürich puristisch betrachtet von Sven-Eric Bechtolf: Mit einer szenisch und musikalisch geschlossenen Neuinszenierung von Richard Strauss’ „Salome“ hat das Opernhaus Zürich am Samstag die Zürcher Festspiele eröffnet.

Von Oliver Schneider

Sven-Eric Bechtolf, der im letzten Festspielsommer am gleichen Ort mit Mozarts „Così fan tutte“ unter der Leitung von Franz Welser-Möst reüssierte, konzentriert sich auf die Entwicklung Salomes vom unbedarften Mädchen zur in den Wahnsinn vor Liebe getriebenen Femme fatale. Daneben interessieren ihn die von Salome und Jochanaan personifizierten Gegensätze zwischen ungezügelter Lust und Enthaltung, dem Dionysischen und Apollinischen und schließlich zwischen Mann und Frau.

Um diese Gegenpole herum gruppiert er illustrierend die übrigen Protagonisten. Bechtolf lässt ihnen in seiner unprätentiösen Regie viel Raum, um sich einzubringen, und setzt mit wenigen, eindringlichen Bildern zusätzliche markante Akzente. So, wenn Salome Jochanaan das erste Mal erblickt, wenn er aus dem mittleren von fünf aus dem Boden hochgefahrenen Käfigen tritt.

Zwei Menschen treten sich hier gegenüber, die beide Gefangene ihrer selbst sind: Jochanaan in seinem Glaubensfanatismus, Salome in ihrem Liebeswahn. Die schlicht-elegante Ausstattung von Rolf und Marianne Glittenberg nimmt diese Gegensätzlichkeit auf, mit den symbolhaften Käfigen und dem Spielort, einem kahlen, weißen Raum mit rundherum roten Bänken, dessen offene Mitte den Blick auf einen vollkommen roten Gang frei gibt. Um die Protagonisten herum bewegen sich die jüdischen Sklaven und eine zwielichtige, lüsterne Männergesellschaft, deren Äußeres die Décadence und das Fin-de-Siècle widerspiegeln und deren wichtigster Repräsentant der Tetrarch Herodes ist.

Gespielt und gesungen wird zum großen Teil auf dem gewohnten hohen Zürcher Niveau. Die deutsche Gun-Brit Barkmin gibt die Titelpartie ohne Rücksicht auf Verluste mit größter Intensität. Scheint sie zunächst teilnahmslos und unschuldig, so verwandelt sie sich rasch in ein liebendes Ungeheuer. Ins Gedächtnis bohrt sich der Moment ein, wenn sie gleich einer Schlange auf dem Boden herumkriecht und an den Verließfenstern nach einem Blick auf Jochanaan lechzt. Stimmlich stellt die Partie für sie allerdings einen vokalen Grenzgang dar, nicht immer sitzen die hohen Töne. Man merkt ihr die gewaltigen Anforderungen an, auch wenn sie mit ihrer direkten, leicht scharfen Stimme meist  über das Orchester durchdringt. Den Schleiertanz bis zum Fallenlassen der letzten Hülle in wechselnd farbiger Beleuchtung vor ihrem Stiefvater darf sie wenigstens Silvia Schori überlassen.

Stimmliche Grenzen kennt Egils Silins nicht. Mit seinem satten Mezzavoce und metallischen Timbre gibt er einen Ehrfurcht einflössenden Jochanaan. Rudolf Schasching ist ein voll tönender, heldisch auftrumpfender Herodes, Dalia Schächter eine rachsüchtige Herodias, von der die größte Faszination ausgeht, wenn sie nach der Tötung des Jochanaans halb irr lachend durch die Männergesellschaft tänzelt.

Mit Christoph von Dohnányi steht ein Salome-erfahrener Garant für die schillernde Farbigkeit und die eruptiven Klangballungen am Pult, unter dem das ausgezeichnete Opernhaus-Orchester geradlinig vorwärts drängt. Vor allem weiß er die Lautstärke so zu drosseln, dass die Sänger nicht hemmungslos zugedeckt werden und textverständlich bleiben, ohne dass die Musik dadurch ihrer narkotisierenden Wirkung beraubt wird.

Weitere Vorstellungen: 25., 27. und 29. Juni, 2. und 4. Juli; Karten und Information: www.opernhaus.ch.

 

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