Mit dem Traktor ins Glück

MÜNCHEN / DIE VERKAUFTE BRAUT

02/01/19 Längst hat es sich eingebürgert, Opern in ihrer Originalsprache zu zeigen. Bedřich Smetanas „Die verkaufte Braut“ wird hingegen fast immer übersetzt gegeben. Mit einer quirlig-überdrehten Inszenierung überzeugte David Bösch die große Mehrheit des Premierenpublikums in München.

Von Oliver Schneider

Dass in diesem böhmischen Dorf nur scheinbar eitel Freude und Sonnenschein herrscht, zeigen Bösch und sein Ausstatter Patrick Bannwart mit einem riesigen Stroh- und Misthaufen auf der Bühne des Nationaltheaters. Dort können eigentlich nur unzufriedene Menschen leben: ganz egal, ob sie alt oder jung sind, desillusionierte Alte oder Möchtegern-Rocker. Damit Haus und Hof auch für die Zukunft gesichert sind, verkuppeln sie ihre Kinder, während sie sich gleichzeitig über die Tücken des Ehelebens beklagen und ganz gerne einen über den Durst trinken (vokal und darstellerisch stark Chor und Statisterie).

Da ist der radelnde Hans (Pavol Breslik) von ganz anderer Natur. Er sehnt sich nicht nur nach einem Leben mit Marie (Selene Zanetti), sondern will auch im Dorf wieder anerkannt werden. Schließlich ist er der Sohn des reichen Micha aus erster Ehe, der von ihm und seiner zweiten Frau Agnes verstoßen wurde.

Schon beim Auftritt des Heiratsvermittlers Kezals – das heißt im Tschechischen Schwätzer – weiß man, dass es mit dem Typ kein gutes Ende nehmen wird. Falko Herold hat ihm einem weißen Anzug und ein weit ausgeschnittenes rotes Hemd verpasst, die Haare schön nach hinten gekämmt und gegelt. Dazu schneidet er auf mit seinem „Alles ist so gut wie richtig“, bei dem es ob des endlosen plappernden Parlandos, der Stakkato-Ketten und der maßlosen Selbstüberschätzung den biederen Eltern Maries fast die Sprache verschlägt. Herrlich schmierig und stimmlich wuchtig gibt Günther Groissböck diesen eitlen Gockel, der sich vom schlauen Hans übers Ohr hauen lässt.

Wolfgang Ablinger-Sperrhacke macht Wenzel, das stotternde Muttersöhnchen, zu einer tragikomischen Gestalt. Er geht mit seinem echten Hausschwein Willi (so das Programmheft!) Gassi und lässt es für die angebliche spanische Tänzerin Esmeralda (soubrettenhaft Anna El-Khashem) im drittklassigen Wanderzirkus von Direktor Springer (klar artikulierend Ulrich Ress) Willi durch den Reifen springen, um anschließend ins Bärenfell zu steigen. Jämmerlichkeit des Zirkus hin oder her, an Aufwand wird hier in München nicht gespart: mit Seiltanz, Clowns und Stelzenläufern.

Bebildert wird überhaupt genug. Manches mag allerdings zu Holzhammer-mässig sein, wie eine kollektive Notdurft der männlichen Bevölkerung nach dem Dorffest, weil Marie die einzige (Bau-)Toilette über Gebühr lang besetzt. Ernste Facetten des Werks fallen dagegen ganz unter den Tisch.

Dirigent Tomáš Hanus hat sich für die deutsche Fassung von Max Kalbeck entschieden, die der Anpassung an den musikalischen Stil den Vortritt vor der Texttreue gibt. Er führt das Staatsorchester mit viriler Energie und ruraler Derbheit durch den Abend. Ein differenziertes, ausdrucksvolles Musizieren bleibt dabei auf der Strecke. Zumindest im ersten Akt brachte am Premierenabend die gewählte Lautstärke vor allem Pavol Breslik an seine kräftemässigen Grenzen. Von dem Wohlklang seines lyrisch grundierten, aber farbenarmen Tenors kam nicht viel herüber. Das änderte sich zum Glück im Laufe des Abends, sodass Breslik zu Recht für seine musikalische Leistung und seine Spielmacher-Qualität gefeiert wurde. Dies gilt auch für Selene Zanettis Marie, die in der von Richard Wagners Hochromantik geprägten Szene und Arie im dritten Akt ein tiefsinniges Psychogramm einer verzweifelt Liebenden gestaltet.

Weitere Vorstellungen am 3. und 6. Jänner, sowie am 19. und 22. Juli. Die Aufführung am 6. Jänner wird im Live-Stream übertragen – www.staatsoper.de
Bilder: Bayerische Staatsoper / Wilfried Hösl