Gutes Schuhwerk und nicht ganz leere Tasche

REISEKULTUR / ÖTZTAL / HUBERT LEPKA

30/08/13 Hundert Zuschauer wandern von Vent durchs Niedere Tal zum Marzellferner und zurück. Auf diesem atemberaubend schönen Weg erleben sie die wahre Geschichte des Herzogs Friedrich und seiner fantastischen Flucht durch das Ötztal als ein alpines Drama, live gespielt an Stationen in der weiten Landschaft. Ein Schauspiel von Lawine Torrèn.

261Das Besondere dabei: die kleine Schar der Zuseher erlebt die Audio-Ebene der Inszenierung über Funk-Ohrknöpfe. „Weder Natur noch andere Wanderer werden beeinflusst“, betont der Salzburger Theatermacher, der in der Gegend nicht zum ersten Mal arbeitet: „Hannibal“ war ein Gletschertheater der besonderen Art…

Nun aber heißt es „Friedl mit der leeren Tasche“. Wir schreiben das Jahr 1416: Der Herzog von Tirol zieht den Zorn des Kaisers auf sich. Er wird unter Reichsacht gestellt und verliert alles – doch dann gelingt es ihm doch, sich und seine Position besser denn je zu festigen. „Diese Geschichte erschließt sich am Ötztaler Originalschauplatz, der heute kaum anders aussieht als damals. In den Weiten des hinteren Ötztals, auf über hundert Quadratkilometern, leben auch heute noch wenig mehr als hundert Personen. Große Teile der Landschaft werden so bewirtschaftet wie vor 600 Jahren, zur Zeit des Herzogs Friedrich. Das Niedere Tal weist keine erkennbaren Spuren des 21. Jahrhunderts auf. Es wirkt aus allen Blickwinkeln als authentischer Hintergrund für Friedls Flucht über den Alpenhauptkamm.

263„Diese Kulisse verweilt in sich, der Zuschauer durchwandert sie. Ein Reservat der Zeit, eine Wunderkammer der jährlich gleichen Wiederkehr von Natur und Mensch. Ein Live-Roadmovie entlang einer der schönsten Wanderrouten des Ötztales.“ So Hubert Lepka. Geschichte „wird gemacht“ – in einer Fassung des Künstlernetzwerkes Lawine Torrèn.

Einige Figuren der Handlung: Friedl, Hans von Mülinen, die Magd Anna, eine hohe Frau, Oswald von Wolkenstein. Der Weg führt in mehreren kurzen Etappen von den Rofenhöfen – Österreichs höchstgelegener Hofsiedlung auf 2011 m – über die Hängebrücke und entlang des Fußweges durch das Niedere Tal bergan. An besonders aufgeladenen Stellen, an der prähistorischen Steinhöhle, an Aussichtspunkten unterhalb der Gletscherzungen von Diem­, Schalf­, Mutmal­ und Marzellferner sind Haltepunkte für Rast und Inszenierung. Ziel des Wandertheaters ist die neue Samoar Hütte (Martin Busch Hütte). Der Weg ist bestens ausgebaut und mit leichten Wanderschuhen auch für weniger sportliche Zuschauer gut zu bewältigen.

Die Szenen dieses Wandertheaters spielen entlang des Weges ganz in der Nähe oder in weiter Entfernung. Stets sind die Zuseher bei den intimen Dialogen und Vorgängen dabei, wie unerkannte Beobachter. Am Ziel der Wanderung, auf der Martin Busch Hütte, setzt man sich zusammen. Die Teilnehmer, die Schauspieler und die einheimischen Mitwirkenden unterhalten sich über die Eindrücke, denn während der Wanderung überwiegt Stille.

262Die Mitwanderer tragen kleine Ohrknöpfe. „Film- und Theatermusik erzeugen eine unbewusste, emotionale Grundkonstellation aus Bild und Ton: Hirtenlied und Motette, Herdentrieb und höfischer Tanz, Erzählung und Dialoge gepaart mit zeitgenössischer Musik des 15. Jahrhundert“, erklärt der Freilichttheaterzauberer Lepka. „Im Wandertheater lösen sich gesellschaftliche Grenzen spielend auf. Eine dichte, fast filmische Atmosphäre entsteht durch die neuartige Funkübertragung im Kopf der Zuseher.“

Die Sprache ist Deutsch, „in einer immer verständlichen Mischung aus Hochdeutsch und authentischem Ötztaler Dialekt“. Letzterer wurde von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe ernannt – nicht zuletzt wegen seiner Nähe zum mittelalterlichen Deutsch. (Lawine Torren)

Premiere ist am kommenden Sonntag (1.9.). Weitere Aufführungstermine bis 21. September. Man ist von acht uhr morgens bis ungefähr vier Uhr nachmittags beschäftigt. - friedl-wandertheater.oetztal.com
Auf  Youtube stehen zwei Trailer, ein kurzer und ein etwas längerer.
Bilder: Lawine Torren