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Der Meister der alten Musik-Konserve

REISEKULTUR / GRASSAU / DREHORGELBAU BLÜML

04/03/11 Ein wenig sieht das Ariston ja aus wie ein altmodischer Plattenspieler. Aber die Scheibe ist nicht aus Vinyl, nicht einmal aus Schellack, sondern es ist ein Blech mit Löchern. Und im Gehäuse dieser Drehorgel verbergen sich schwingende Zungen wie bei einem Akkordeon oder einer Mundharmonika. - Zu Besuch bei einem Tischorgelbauer im bayerischen Grassau.

Von Wolfgang Stern

altBesucher sind willkommen, in dem alten Bauernhof, wo Alois Blüml einem so schrulligen wie hoch spezialisierten Handwerk nachgeht. Im gut 150 Jahre alten „Zacherlhof“ in Grassau, südlich vom Chiemsee, hat Alois Blüml das richtige Ambiente gefunden. Hier widmet er sich bereits seit mehr als 25 Jahren der Reparatur und dem Bau von Leierkästen, Dreh- und Tischorgeln und anderen Musikautomaten. Seine Schätze sind Raritäten. Sein Gespür für die Handhabung der Instrumente und vor allem sein Geschick, Altes und Ältestes zu reparieren, sind ein Glücksfall für Liebhaber dieser Spezies.

altSkurriles hat er vorzuführen, zum Beispiel eine Drehorgel in Form einer Schubkarre. Tanzende Vögelchen im Bauer lassen natürlich auch Melodien hören. Und was da herumsteht, vermittelt einen guten Eindruck von der Frühgeschichte der "Musikkonserve".

Eigentlich war der Mitt-Siebziger ja Konditor und er führte mit seiner Frau ein gut gehendes Hotel-Café. Aber diesen Beruf hat er bald an den Nagel gehängt. Entscheidend war eine Parisreise 1971, wo Alois Blüml an einem Flohmarkt ein solches kaputtes Kästchen entdeckte und kaufte. Zu Hause angekommen, begann er mit dem Reparieren. Da hat der Zuckerbäcker Schweißen, Löten oder Hobeln lernen müssen. Doch die Ausdauer lohnte sich. Das alte Werkel wurde zum Klingen gebracht - und das war der Start in einen neuen, faszinierenden Beruf und noch mehr: in ein schönes Hobby.

altImmer weiter zogen sich die Kreise und auch sein Bekanntheitsgrad unter absoluten Spezialisten, so dass jetzt Besucher nahezu von überall nach Grassau kommen. Der Meister versteht sein neues Hobby und kann so Helfer in der Not sein, wenn eines der alten Geräte nicht mehr so funktioniert, wie es sollte. Aber auch neue Orgeln, vor allem Tischdrehorgeln, entstehen als Nachbauten oder Eigenkreationen im Zacherlhof.

altWas der Besucher sofort merkt: Alois Blüml ist mit Leidenschaft und Freude bei seiner Arbeit und er ist besonders stolz, wenn er das eine oder andere Instrument vorführen kann. Echte Freude genießt er, wenn aus einem Schrott ein schön klingendes Instrument entsteht. Eines seiner Erfindungen ist die Tanzorgel, deren Mechanik dem Tanzbär, einer Ziehharmonika, nachempfunden ist. Helikons und Aristons sind seine speziellen Anfertigungen. Diese wurden Ende des 19. Jahrhunderts produziert und sind im Original fast nur in Museen zu finden. Lochplatten aus Metall oder starkem Karton und -bänder werden nachgebaut, sodass es wieder eine große Anzahl an verschiedenen Melodien zur Auswahl gibt. Man braucht sich diesbezüglich keine Sorge zu machen, denn für alle Kästen findet der Meister aus Grassau entsprechende Platten. Seine Kontakte reichen in die ganze Welt.

Wollen Sie ein Ariston mit dem Lied „Mein kleiner grüner Kaktus“, mit dem „Ave Maria“ von Bach/Gounod, mit Melodien aus „Wiener Blut“ oder den „Zillertaler Hochzeitsmarsch“ hören von einem dieser antiken Wunderdinger? Dann auf nach Grassau!

Alois Blüml, Drehorgelbau, Achentalstrasse 11, D-83224 Grassau. Tel. 0049-8641-1457; www.drehorgelwerkstatt.de.
Bilder: dpk - Wolfgang Stern

 

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