Die Triebfeder der Erotik

INTERVIEW / PFINGSTFESTSPIELE / CHRISTOF LOY

30/05/17 Schon als junger Regieassistent, also vor dreißig Jahren, habe er auf „Ariodante“ geschielt, hätte er Händels Oper zu gerne inszeniert. Nun, für die Pfingstfestspiele, tut Christof Loy es wirklich. Der Regisseur im Interview.

In Salzburg hat Christof Loy bereits drei Mal inszeniert, „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss (2011), „Armida“ von Gluck (2007 und 2009) und Händels „Theodora“ (2009). „Es ist in der Tat ein bisschen wie nach Hause kommen“, sagt Loy im Interview. „Für mich ist hier alles sehr schnell wieder vertraut gewesen. Und dazu gehört das Wiedersehen mit den Sängern. Ich habe sowohl mit Cecilia Bartoli als auch mit Norman Reinhardt schon gearbeitet. Christophe Dumaux ist eine ganz alte Bekanntschaft, wir haben lange nichts zusammen gemacht. Nun freue ich mich sehr, dass wir wieder zusammenarbeiten.“

Im Nachhinein ist Loy ganz froh, sich nicht frühzeitig auf Händels „Ariodante“ eingelassen zu haben. „Es ist ein Stück, das unglaublich facettenreich, ja shakespeareanisch in der Zeichnung der Atmosphäre ist. Man hat fast den Eindruck, dass das Genre vom ersten zum zweiten Akt wechselt. Diese Extreme auszutasten, interessiert mich. Es ist die Triebfeder der Erotik im gesellschaftlichen und politischen Umfeld, deren Erforschung mich interessiert. Man sieht in dem Stück ganz wunderbar, welche verschiedenen Spielarten von Liebe, Erotik und Manipulation es gibt und das innerhalb eines großen Machtspiels.“

Christof Loy findet auch die Geschlechterrollenverteilung interessant. Die Oper verweise auf die mittelalterliche Thematik vom Ritter, der die Jungfrau vor einem Ungeheuer retten soll und dass die Frau die hübsche Dekoration für den Mann ist, der an vorderster Front steht. „Durch das aber, was den Figuren Ariodante und Ginevra im Stück wiederfährt, fangen beide an, diese Rollenmuster zu hinterfragen: Ariodante wird immer weniger Krieger und bekommt transparente Züge, die man schon fast als feminin bezeichnen könnte. Er zeigt sich fragil, transparent und auch angreifbar.

Cecilia Bartoli wird Ariodante sein, ihre erste Hosenrolle. „So wie ich den Weg dieser Figur zeigen möchte, ist das nur mit Cecilia Bartoli möglich. Sicher wurde ich durch sie auf eine ganz andere Erzählweise hin verleitet, als wenn ich es mit einem Countertenor besetzt hätte. Das, was mich an weiblicher Emotion an dieser Figur interessiert, ist mit ihr ganz anders umsetzbar. Dazu hat sie als Frau auch diese fast kämpferische Energie.“

Umgekehrt ist es so: Polinesso war in der Urfassung mit einer Frau besetzt. „Ich bin ganz froh, dass wir Countertenor Christophe Dumaux im Ensemble haben“, sagt der Regisseur. „Ich assoziiere mit seiner Rolle Intellekt, Raffinesse und Kalkül, die mit einer erotischen Komponente aufgeladen sind. Diese Form von männlicher Verführungskraft lässt sich mit ihm sehr gut erzählen.“

Die Besetzung wirke sich bei ihm immer entscheidend aus auf das Konzept. „Beim Erzählen ist mir psychologische Genauigkeit wichtig. Figuren sollen klar erzählt werden, ohne dass man aber in die Falle von Klischees tappt.“ So ergäben sich sehr komplexe Figuren und manche Sänger müssten sich erst einmal daran gewöhnen, „dass ich die Figuren gegensätzlich beschreibe“.

„Ich hatte sehr früh Lust, die Uraufführungsfassung mit den Ballettmusiken zu übernehmen“, verrät Christof Loy. „Nicht nur der Chor, auch die Tänzer werden so für Gesellschaftsbilder genutzt. Der Faktor, dass sich eine Gesellschaft durch den Tanz selbst feiert, hat für mich großen Reiz innerhalb der Konzeption.“ Im Tanz sieht Loy die Barocksprache – „wie eine formale Rüstung für die Gesellschaft“.

„In der Mitte des Stückes gibt es die Traumballettszene, in der zuerst die angenehmen, dann die unangenehmen Träume auftreten und dann in den Kampf gegeneinander treten. Das gibt uns die Möglichkeit gegen das Ritualhafte des höfischen Tanzes eine ganz neue Tanzsprache zu setzen, die in eine tiefe Reise der Figuren, in ihre Sehnsüchte und Ängste führt.“

Mit Cecilia Bartoli hat Christof Loy Jschon „Alcina“ in Zürich gemacht. „Ich arbeite sehr gerne mit Sängern, die ich kenne und sie möchte vorher gerne wissen, auf wen sie sich einlässt“, beschreibt der Regisseur die Übereinstimmung. „So haben wir uns im Vorfeld zu den Proben oft getroffen. Ich habe ihr sehr früh die Bühnenentwürfe gezeigt. Auch bei den musikalischen Proben war ich dabei und habe ihr zwischendurch meine Ideen zugeflüstert. Bartoli setzt dies dann direkt um und gibt an das Orchester weiter, wie diese oder jene Szene inszeniert wird, so dass die Musiker sich von Anfang an darauf einstellen können.“ (PSF/dpk-krie)

Salzburger Festspiele Pfingsten 2017, 2. - 5. Juni – www.salzburgerfestspiele.at
Bild: Salzburger Festspiele / Eduard Staub
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