Erzmusikanten und Analytiker

OSTERFESTSPIELE / ORCHESTERKONZERT

27/03/13 Vom „Dresdner Crescendo“ war schon die Rede. Intensität und Lautstärke zu steigern, und dabei erst recht die so oft zugedeckten Pretiosen im Bläsersatz deutlich hörbar zu machen: Mit diesem Kunststück hat sich die Sächsische Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Christian Thielemann schon bei ihrem ersten Ostergastspiel in Ohren und Herz gespielt.

Von Heidemarie Klabacher

112Bejubelter Höhepunkt des dritten Orchesterkonzerts im Großen Festspielhaus war das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 Es-Dur von Ludwig van Beethoven. Der Pianist Yefim Bronfman ließ seinen Part in op. 73 geradezu überirdisch klar im Anschlag perlen und funkeln. Solist und Orchester traten in einen einzigen großen mitreißend lebendig gestalteten Dialog. Kleinste pianistische Fioraturen wurden von Yefim Bronfman mit der gleichen Ruhe und Souveränität ausgestaltet und ausgeziert, wie etwa die martialischen Unisonogänge im ersten Satz. Die stille Orchestereinleitung zum Adagio war der Ausgangspunkt für weitere bewegend schön musizierte Dialoge zwischen dem Klaviersolisten und den Holzbläsern. Der von Christian Thielemann voll Spannung zelebrierte Übergang zum dritten Satz war ein Erlebnis: Es hatte beinahe schon wieder Witz, wie aus der weihevollen Konzentration und Stille heraus die Energie des Rondo allegro explodierte.

114Nicht weniger bejubelt war die Wiedergabe der „Vierten “ Brahms. Auch diese Interpretation zeugte von der Klangkultur der Sächsischen Staatskapelle Dresden: Auch im Forte ist bei vollem – samtweichem aber immer strahlend klarem – Streichersound genug Luft und Licht vorhanden, um den Bläsersatz zur Wirkung kommen zu lassen. Tatsächlich hat man in diesen wenigen Konzerten der letzten Tage unter der Leitung von Christian Thielemann in bekanntesten Stücken mehr „Neues“ hören und entdecken können als in so manchen Saisonen zusammen. Wie ein Kondukt begann der vierte Satz – leicht im einen Augenblick, mächtig im nächsten: in wenigen Takten wurden Welten durchmessen. Als der Jubel nach dieser mitreißenden Performance gar kein Ende nehmen wollte, wandte sich Christian Thielemann weit über die „Reling“ des Dirigentenpodestes gebeugt Richtung Publikum: „Wir spielen den letzten Satz einfach noch mal...“

Wie das vormittägliche Kammerkonzert, wurde am Dienstag (26.3.) auch das abendliche Orchesterkonzert mit einem Werk von Hans Werner Henze eingeleitet: „Fraternité. Air pour l’orchestre“ ist – wie Epitaph und Serenade, die beiden Solo-Miniaturen des Vormittags – ganz der Melodie geschuldet: Die Stimmen des Orchesters vereinen sich gleichberechtigt zu einem gemeinsamen großen Gesang, einer einzigen unendlichen Melodie. Auch hier war der verinnerlichte Gesang eine ideale Vorbereitung auf die aufbrandenden Emotionen.

Bilder: OFS / Matthias Creutziger