Serving art and alcohol

ASPEKTE / LE POISSON ROUGE

06/06/16 Klatschen und tratschen nach Belieben. Sagt der DJ. Oder einen trinken gehen, wenn’s fad wird: Le Poisson Rouge ist ein Club, eine Bar mit Konzertbetrieb, in New York. Von - alphabethisch nach Vornamen - Anna Netrebko und Brad Mehldau, über Hilary Hahn und Patti Smith bis hin zu Yo-Yo Ma oder Yoko Ono ist dort alles aufgetreten, was Rang und Namen hat in Jazz, Pop, Rock oder Klassik.

Von Heidemarie Klabacher

„Classical as Fuck“ steht denn auch auf T-Shirt, das um 15 Dollar die Erinnerung an einen ganz sicher gelungenen Abend lebendig hält: Seit seiner Gründung im Jahr 2008 wird der Club Jahr für Jahr mit Preisen und Auszeichnungen und hymnischen Kritiken überhäuft, hat es bis in den Marco Polo-Reiseführer gebracht und ist überhaupt Kult. Kult unter den Koordinaten 40.7284°N 73.999977°W.

Ganz soweit sind die Aspekte mit ihrem jungen Poisson Rouge noch nicht. Ein Aquarium hat man auch nicht aufgetrieben (dabei wäre das Haus der Natur ganz nah). Aber auch ohne Goldfischbecken sind die Kavernen 1595 kein unorigineller Ort. Und eins haben die beiden Poisson Rouge hüben und drüben (des Atlantiks) ohnehin gemeinsam, nämlich Olivier Messiaen: In der Gstättengasse 27-29 sind am Samstag (4.6.) die Pianistin Ariane Haering und die Sopranistin Anna Maria Pammer mit Olivier Messiaens Zyklus „Harawi“ aufgetreten. Und ein Kollege vom Wall Street Journal hörte einst in der 158 Bleecker Street Messiaens „Quatuor pour la fin du temps“ und schrieb: „Die Menge, in der viele den Namen Messiaen nicht einmal gekannt haben, saß in gespannter Stille - und brüllte am Ende vor Begeisterung.“

Da sieht man aber auch den Unterschied zwischen einer Kulturstadt und New York. Das Aspekte Publikum kennt den Namen Messiaen, brüllt aber nicht. Dafür durften ganz wie im Big Apple  auch unter der Mozartkugel die Künstlerinnen – es waren drei Pianistinnen – ihren Poisson Rouge-Abend selber gestalten.

Die Pianistin Hsin-Huei Huang brachte zum Auftakt am Donnerstag (2.6.) Freunde mit Cello, Violine/Viola und Bassklarinette mit und spielte solo Tristan Murails „La Mandragore“ für Klavier. Die Pianistin Ardita Statovci erfreute am Freitag (3.6.) mit Gerd Kührs „Stop the piano“ – und machte mit schier außer Kontrolle geratendem Klavier-Gedonner in geradezu elfenhafter Blütenrobe deutlich, das Humor und „Neue Musik“ einander nicht ausschließen müss(t)en.

Andere Töne, sanftere, hat sie mit Tristan Murails traumverlorenen „Cloches d’adieu, et un sourire…in Memoriam Olivier Messiaen“ angeschlagen. Von Henri Dutilleux’ „Sonate pour piano“ hat Ardita Statovci schon beim Pressegespräch eindrücklich erzählt, wie der oder die Ausführende die emotionalen Herausforderungen, die Schönheiten und Abgründe des Werks „aus der Distanz betrachten“ müsse, „um die Kontrolle zu bewahren“, während das Publikum einfach genießen dürfe.

Für die Uraufführung von Alexander Müllenbachs neuem Werk für Klavier zu vier Händen hat Ardita Statovci ihre ständige Duopartnerin Ariane Häering zu sich aufs Podium gebeten. Und für Ludwig Nussbichlers „Traumbildfragmente III“ für Klavier und Violine die Geigerin Chiara Sannicandro. Zum Glück hat Ardita Statovci sich gegen den Aspekte-Chef durchgesetzt, der sich nicht selbst aufgeführt hören und ihr das - betörend feine und immer wieder ver-zaubernde - Werk nicht durchgehen lassen wollte.

Von wegen „serving art and alcohol“. Eine Bar hat es im Salzburger Poisson Rouge auch gegeben. Geklatscht wurde heftig, Aus Langeweile einen Trinken gegangen ist niemand. Nur die kleinen Lampenschirmchen auf den Tischchen sind immer wieder mal mit Getöse zu Boden gegangen.

Bilder: Aspekte/Julia Lepka