Mehr Wagner!

MOZARTEUMORCHESTER / SONNTAGSMATINEE / MINKOWSKI

18/04/16 Brünnhilde stürzt sich, auf Grane dem Roß, ins lodernde Feuer. Der Sprung ins glühende Finale der „Götterdämmerung“ am Sonntag (17.4.) im Großen Festspielhaus war so mitreißend, als hätte man nicht nur Brünnhildens Schluss-Szene, sondern den ganzen „Ring“ erlebt.

Von Heidemarie Klabacher

Mozarteumorchester Salzburg und Marc Minkowski haben mit der letzten Sonntagsmatinee dieser Spielzeit zu einem „Französisch-Deutschen Vormittag“ geladen und mit orchestraler Opulenz und klangrednerischer Brillanz geradezu überwältigt.

Die Symphonien, die Wagner selber nicht geschrieben hat – von der Symphonie C-Dur WWV 29 aus 1832, dem einzigen vollendeten Beitrag Wagners zu Gattung, waren ja weder Schöpfer noch Nachwelt ganz überzeugt – haben Wagner-Fans und Bayreuth-Pilger wie César Franck oder dessen Schüler Ernest Chausson komponiert: Das erzählte Marc Minkowski bevor er den Stab hob und Funken schlug, auch schon aus den subtilen Klangwelten der Symphonie Nr. 1 B-Dur op. 20 von Ernest Chausson.

Eingestellt auf allerhand epigonenhaftes Johohe oder Heiajoho staunte man alsbald über das feine „französische“ Chroma. Schon mit dem ersten spannungsvoll aufgebauten Crescendo entführten Marc Minkowski und das in großer Besetzung angetretene Mozarteumorchester mit großen Linien und immer vorwärts drängender Verve in farbenreich instrumentierte Klangwelten.

Hätte Minkowski zuvor nicht so explizit den Wagner-Kontext hergestellt, hätte man da und dort viel eher an einem in der Romantik verhaftet gebliebenen Debussy gedacht. Selbst wenn das „schwere Blech“ auffahren durfte, krochen keine schatz-hütenden Würmer mürrisch aus düsteren Höhlen. Da bebte, wie im ersten Satz, höchstens kurz einmal die Erde, alsbald besänftigt vom delikaten Säuseln der Flöten und hohen Streicher. Auch im ruhig fließenden zweiten und erst recht im scherzohaft kämpferischen dritten Satz ballte sich unter Minkowskis kontrollierender und dosierender Leitung die Energie wohl immer wieder zusammen, entwickelte hochdramatische Crescendi – doch ohne sich je in plakativem Triumphalismus zu entladen. Mitreißend. Eine erhellende Erst-Begegnung, ein reizvolles Unterkapitel zum Stichwort „Wagner“. Und dennoch - ein Vorspiel nur.

Der Sopranistin Ingela Brimberg gelang schon mit der Ballade der Senta aus Richard Wagners Oper „Der fliegende Holländer“ sozusagen aus dem Stand ein klingendes „Seestück“ von dramatischer Farbigkeit, Strahlkraft und emotionaler Intensität. Doch die Schluss-Szene der Brünnhilde aus der „Götterdämmerung“ war noch viel überzeugender: Sie geriet zur vollkommen Miniatur, in der Auf- und Untergang der gesamten Götter-, Heldinnen- und Helden-Welt mitgedacht und mitgefühlt werden konnte. Ingela Brimberg gebietet souverän über eine mit sicherem Lagenausgleich geführte Sopranstimme, der bei aller hochdramatischen Qualität immer auch Leichtigkeit und Wendigkeit in Tongebung und Phrasierung eignen.

Die Basis dazu legte Mark Minkowski, der seinen „Zugang“ zu Wagner schon zuvor mit Ouvertüre und Bacchanal aus dem „Tannhäuser“ offen gelegt hatte. Mit der Selbstverständlichkeit des Klangredners durchleuchtet Minkowski auch diese Partituren, legt offen, macht nach-hörbar, strukturiert präzise, ohne aber die staunende Hörerschaft des Rausches zu berauben.

Das Mozarteumorchester – allen voran die an diesem Vormittag mehr den je begeisternden Holz- und Blechbläser – folgten Minkowskis Vorgaben mit stupender Strahlkraft und Leichtigkeit. Wann noch einmal ist die nächste Wagner-Premiere mit Minkowski und Mozarteumorchester?

Bilder: Marco Borggreve; www.braathenmanagement.com/Malin Arnesson