Zum Auftakt ein Siegeskranz

CHRISTIUSKIRCHE / BACH-WERK-VOKAL

27/04/15 Interessiert und neugierig hat man die Evangelische Christuskirche am Sonntag (26.4.) betreten – und mit beflügelter Freude kaum eineinhalb Stunden später wieder verlassen. Eine zyklische Gesamtaufführung des Bach’schen Vokalwerkes in den nächsten Jahren? Das mehr als ambitionierte Unterfangen des neuen evangelischen Diözesankantors Gordon Safari hat überzeugend begonnen.

Von Heidemarie Klabacher

Ein handverlesenes Ensemble junger professioneller Sängerinnen und Sänger stürzte sich mit Virtuosität und Verve in den technisch und musikalisch überaus anspruchsvollen Jubel der Motette „Singet dem Herrn ein neues Lied“ BWV 225. Komplex verstrickt hat Bach vier- und achtstimmige Passagen. Es braucht ausgewiesene Expertinnen und Experten, um diesen beinahe exaltierten Ausbruch an Emotionen auch nur „geordnet“ auf die Reihe zu kriegen. Viel mehr ist gelungen.

Unter der präzisen Leitung von Gordon Safari und auf der Basis des musikantisch federnden Continuo des Ensembles B@aroqueB@and konnten die Vokalisten ihre jeweiligen Parts virtuos wie Soloarien entfalten und zugleich so homogen wie es ein Chorstück erfordert, geschmeidig mit einander verschmelzen.

Eröffnet wurde das erste Konzert in der mehrjährig angelegten Reihe „BachWerkVokal“ nicht ganz motiviert mit der Orchestersuite D-Dur BWV 1068. Ebenso überzeugend wie das Vokalensemble war das Instrumentalensemble dann im Oster-Oratorium „Kommet, eilet und laufet“ BWV 249. Eine strahlende, beredt artikulierte und transparent phrasierte barocke Festmusik war die einleitende Sinfonia, ein bewegender Rückblick auf Jesu Leiden und Sterben am Karfreitag das große klagende Lied der Solo-Oboe im Adagio.

Nach dieser instrumentalen Hinführung zum Geschehen überschlug sich der - nun auf 15 Ausführende - erweiterte Chor schier vor lauter Eifer: „Kommt, eilet und laufet ihr flüchtigen Füße…“ Der Text ist musikalisches Programm. Gordon Safari führte die Sängerinnen und Sänger wiederum mit Präzision und mitreißendem Drive. Klangrednerisch herauszuarbeiten gelang ihm auch das beinahe übermütige „Lachen und Scherzen“.

Im Gegensatz zu den „großen“ Oratorien gibt es im kleinformatigen „Oster-Oratorium“ keinen Evangelisten. Vier Personen bringen kurze Berichte oder treten in ebenso kurze Dialoge. Die Trägerinnen und Träger der Mini-Rollen – Maria Jacobi, Maria Magdalena, Petrus, Johannes - haben den knappen Rezitativen darstellerische Farbe und musikalischen Gehalt zu verleihen gewusst.

Strahlender Lorbeerkranz statt bitterer Myrre nach der Auferstehung: Ein Höhepunkt war die von Diana Plasse mit größter Ruhe und Souveränität gesungene Arie „Seele, deine Spezereien“ - in der Wirkung verstärkt durch das delikat hingetupfte Continuo und das schwärmerisch die Singstimme umrankende Solo der Traversflöte.

Ebenso bewegend hat der Tenor Max Kiener mit warm abschattiertem tenoralem Timbre aus Todeskummer und tiefem Schlummer geweckt. Reizvoll, die kleinen markanten Bewegungen, die der Dirigent im Orchesterpart herauszuarbeiten wusste, wenn die „Zähren“ der Pein von den Wangen gewischt werden.

Ein viel versprechender Auftakt für das ambitionierte Projekt. Und dann haben Chor, Ensemble und Dirigent mit der schwingend und schwebend musizierten Zugabe „Jesus bleibet meine Freude“ aus BWV 147 das Publikum noch ein wenig mehr verzaubert - und an die Angel gekriegt mit der Einladung, das nächste Mal die Schlusschoräle mitzusingen.

Zum dpk-Interview mit Gordon Safari Bach – und nicht „Knäckebrotmusik
Bild: Evangelische Superintendentur/Lienbacher