Letzter Ausflug der Wandervögel

JAZZIT / BRATSCH

10/03/15 Nach vierzig Jahren Tingelei quer durch Europa haben selbst geborene Wandervögel genug. Bevor aber das französische Gipsy-Quintett Bratsch seine Instrumente Ende des Jahres endgültig wegpackt, besucht es auf einer letzten Tour noch einmal seine liebsten Bühnen. Am Sonntag (8.3.) schaute es auch im Jazzit vorbei.

Von Christoph Pichler

Dass Bratsch es mit dem Aufhören wirklich ernst meinen, haben sie schon mit ihrer Abschiedsplatte „Brut De Bratsch 1976 -> 2013“ dokumentiert, die mit drei CDs, einer DVD und einem 142-seitigen Booklet einen dicken Schlussstrich unter die Geschichte der Band zieht. Wirklich müde wirkten die doch schon ziemlich gereiften Herren bei ihrem Lebt-wohl-Konzert in Salzburg dennoch nicht. Zwar richteten sie erst kurz vor der Pause erstmals das Wort direkt ans Publikum, doch war ohnehin niemand gekommen, um Bratsch quatschen zu sehen.

Musikalisch ließen sie jedenfalls nichts anbrennen und servierten ihre schmackhafte Melange aus Balkan-Rhythmen und Welt-Melodien mit einem kräftigen Schuss Jazz-Freiheit und der nötigen Hitze: Während am linken Bühnenrand die Fiedel von Bruno Girard kreischte und kratzte, zupfte und schlug daneben Dan Gharibian scheppernd seine Gitarre. Kontrabassist Théo Girard sorgte in der Bühnenmitte für ein tiefes Fundament, über dem neben ihm das Akkordeon von François Castiello und die Klarinette von Nano Peylet ihre wild flirrenden Ausflüge in die oberen Register starten konnten.

Am rechten Bühnenrand hatten sich die Musiker allerdings doch eine kleine Ruhe-Oase eingerichtet, in der sie neben den müden Knochen gelegentlich ihre angekratzten Stimmen mit einer Wodka-Runde wiederbelebten. Denn gesungen wird bei Bratsch nicht nur in mehreren Sprachen, sondern auch von allen Bandmitgliedern. So durfte in Salzburg jeder mindestens eine Nummer stimmlich führen und sonst seine Stimmfarbe in den dichten Harmonie-Gesang einflechten.

Ein kleiner Wermutstropfen war lediglich die Entscheidung, den Jazzit-Saal größtenteils zu bestuhlen. Zwar konnten die Zuhörer so in den lyrischen Momenten tief in ihren Sesseln versinken, stieg die Band allerdings aufs kräftig Gas, musste die Energie notgedrungen aus dem Tanzbein in die Patschhand geleitet werden. So fruchteten die anfeuernden Gesten der Musiker erst in den beiden Zugabe-Blöcken, die doch noch fast jeden zumindest kurz von den Stühlen riss. Einen letzten Besuch von Bratsch kann man eben doch nicht einfach nur aussitzen.

Bild: www.bratsch.com / Francois Junot