Musikalische Frauenpower im 19. Jahrhundert

UNIVERSITÄT MOZARTEUM / MARIA ANNA MOZART GESELLESCHAFT

27/11/14 Musik als Beruf, besonders im kreativen Sinn des Komponierens, war für die meisten Frauen des 19. Jahrhunderts ein nicht gangbarer Weg. Das war nicht gesellschaftsfähig. Selbst eine außergewöhnliche Begabung wie Fanny Hensel, die Schwester Felix Mendelssohn Bartholdys, durfte wie viele ihrer Zeitgenossinnen ihre Talente nur im Verborgenen blühen lassen.

Von Elisabeth Aumiller

In ihrer Reihe Frauenstimmen stellte die Maria Anna Mozart Gesellschaft in einem Liederabend Werke von 15 Komponistinnen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts vor. Ilona Pichler hat die in den Archiven schlummernden Lieder ans Licht gehoben und das Konzert organisiert. Von Katrin Lehismets am Klavier begleitet sangen die Sopranistin Claudia Michel, der Tenor Markus Petsch und der Bariton Ludovik Kendi.

Ilona Pichler hat es sich nun angelegen sein lassen, in dem von ihr initiierten und organisierten Liederabend bemerkenswerte Schätze komponierender Frauen offenkundig zu machen. Im gut besuchten Domchorsaal widerfuhr ihrem Projekt höchst positives Echo. In der breit gefächerten Liederauswahl fand sich so manches Stück gefällig plätschernder Salonmusik, aber auch mehrere beachtliche Trouvaillen machten auf sich aufmerksam, wie zum Beispiel Lieder von Fanny Hensel, Clara Schumann, Pauline Viardot, Liza Lehmann oder Eva dell'Aqua, zum Teil auf Texte von Heine, Eichendorff, Geibel und Rückert.

Die in Mexiko geborene Sopranistin Claudia Michel punktete mit Anmut und Frische in Fanny Hensels naturtrunkener „Bergeslust“ und Clara Schumanns Liebeslied „Er ist gekommen“. Mit kristallenen Sopranhöhen gab sie sich melodienselig, tanzrhythmisch und mit geläufiger Bravour in Pauline Viardots „Hai Luli“ und „Tarantelle“ sowie in Cécile Chaminades „L'etè“ und Eva dell'Aquas „Villanelle“. Vogelgezwitscher mit Trillern und gestochenen Staccati imitierte sie brillant in Liza Lehmanns „The Wren“. Der Wermutstropfen dabei war ihre mangelnde Artikulation, die das Textverständnis zum mühsamen Ratespiel machte.

Der rumänische Bariton Ludovik Kendi hat eine voluminöse Opernstimme und so war er mit bewegten Liedern wie Josephine Langs „Das Paradies“ oder „Die Wolken“ , bei denen er die Vollstimme einsetzen konnte, am überzeugendsten. Bei den Pianolyrismen verlor sein Bariton an Präsenz und Farbe, außerdem ist die englische Sprache für ihn nicht der optimale Ausdrucksträger. Dennoch ist sein Ernst und sein konzentrierter Einsatz für die gestellte Aufgabe des Lobes wert. Der Salzburger Tenor Markus Petsch hingegen erweckte den Eindruck, als würde ihn das alles nur wenig interessieren. Seine Körpersprache, die fast zwanghaft verschränkten Arme, die er nur zum Umblättern der Noten öffnete, ließ eine Kommunikationsbarriere gegenüber den Zuhörern aufkommen, die für Ausdruck und Musikvermittlung nicht gerade förderlich war. Auch wenn es sich bei den Musiknummern um Repertoire-Außenseiter handelte, hätte man dem Sänger dennoch gerne zurufen mögen, mehr die Noten im Kopf, als den Kopf ständig in den Noten zu haben. Sein lässiger Einsatz war schade, denn gesangstechnisch erwies er sich als erfahren im Umgang mit seinen stimmlichen Mitteln.

Katrin Lehismets war die versierte „Begleiterscheinung“ am Flügel, die den Sängern nicht nur den nötigen Tonteppich lieferte, sondern auch führend anregte, engagiert mitging, den Klavierpart mit Anschlagsfarben anreicherte und dazwischen auch alle Hände voll zu tun hatte in Sachen Fingerfertigkeit. Die Komponistinnen hatten es den Interpreten nicht immer leicht gemacht.

Die Idee des gesamten Projekts überzeugte und erfreute, die Präsentationsform hingegen hätte noch Optimierung vertragen. Dass nach jedem einzelnen Lied, auch der kleinsten Miniatur, applaudiert wurde, war störend. Ebenso war das Kommen und Gehen im steten Wechsel der Interpreten nach jedem Lied eine große Stimmungseinbuße. Abhilfe hätte eine Programmfolge in Liedgruppen nach Sängern und sprachlichen Zusammenhängen gebracht. Die chronologische Abfolge der einzelnen Lieder war mehr dem musikwissenschaftlichen Background als künstlerischen Gesichtspunkten zuzurechnen. Die Zuhörer nahmen es gelassen, die Komponistinnen hätten vielleicht wohlwollend dazu gelächelt und hinterher genossen alle Anwesenden und Beteiligten den Umtrunk beim vorweihnachtlichen Beisammensein.    

Bild: dpk-au