… in einem stillen Gebiet

STIFTUNG MOZARTEUM / GESANGSABEND MIT ORGEL

07/03/14 Vergleicht man einen wirklich guten Liederabend mit einem – sagen wir einfach mal – Rubin, dann entspricht der Gesangsabend des Baritons Michael Volle und des Organisten Christian Schmitt einem anderen Schmuckstein, etwa einem Spinell: rar und äußerst kostbar.

Von Heidemarie Klabacher

478„Orgel & Film“ bietet die Stiftung Mozarteum in ihrer Stummfilmreihe, in der namhafte Organisten Klassiker des Genres in bester uralter Kinomanier kommentieren und untermalen. In der Reihe „Orgel plus“ kommt das Instrument im Großen Saal des Mozarteums gelegentlich allein zu Wort oder tritt in Dialog mit anderen Instrumenten.

Das jüngste Konzert der Reihe brachte den seltenen Fall eines „Liederabends“ mit Orgel: Der Bariton Michael Volle wurde an der „Propter Homines Orgel“ begleitet von Christian Schmitt, einem international bekannten Konzerorganisten, der etwa im Festspielsommer 2012 ebenfalls im Großen Saal die Mezzosopranistin Magdalena Kozena begleitet hat.

Auf dem Programm standen im ersten Teil des dramaturgisch überaus stimmig aufgebauten Abends die „Vier ernsten Gesänge“ von Johannes Brahms, bearbeitet von Christian Schmitt, und zwei Rückert-Lieder von Gustav Mahler, bearbeitet von Hans Peter Eisenmann. Dazwischen brachte der Organist ein Werk des Komponisten Kilian Schwoon zur Uraufführung: die mit schwebenden Klanglinien aus den höchsten und tiefsten Registern der Orgel sehr fein gedrehten „Gespinste“ für Orgel.

Vergleichbar aufgebaut war der zweite Teil. Im Mittelpunkt stand mit Max Regers „Fantasie und Fuge über B-A-C-H“ op. 46 aus dem Jahr 1900 eines der ganz großen legendären Werke für Orgel. Für die Fantasie ließ Christian Schmitt die Orgel, wie nicht anders zu erwarten, „fingermäßig“ virtuos und „registermäßig“ effektvoll aufbrausen. Wirklich aufhorchen ließ aber die äußerst geschmeidig phrasierte und zurückhaltend registrierte Fuge.

Dieses mächtige Orgelstück stand – gar nicht trennend, sondern im Gegenteil inhaltlich und stilistisch subtil verbindend – zwischen einer Auswahl aus Max Regers „Geistlichen Liedern für Gesang und Orgel“ op. 137 aus dem Jahr 1914 und Gesangs-Pretiosen von Johann Sebastian Bach.

477Wie klingt nun ein Mahler-Lied mit Orgelbegleitung? Geht jederzeit. Zumindest wenn ein Michael Volle singt, der mit seiner souveränen Gestaltungskraft auch ohne jegliche Beleitung alle Lichter alle Farben dieser Welt zum Strahlen bringen würde. Die Orgelstimme – wiewohl fein registriert und virtuos gespielt von Christian Schmitt – erweckte hier dennoch nur den Gedanken, dass Klavier- oder Orchesterfarben zwar angestrebt, ihre Wirkungen aber halt doch nicht erreicht werden. Seltsamerweise hat das bei der Schubert-Zugabe „Im Abendrot“ auf eine geradezu bewegende Art und Weise DOCH funktioniert. Da schien die Orgel nichts „nachmachen“ zu wollen. Da hat jemand ein Schubertlied zur Orgel (zum Harmonium?) gesungen, weil halt kein Klavier da war: Das war die Stimmung, die vermittelt wurde, Hausmusik könnte einmal so funktioniert haben.

Dem inhaltlich so sperrigen Brocken der „Vier ernsten Gesänge“ von Brahms begegnete Michael Volle mit dem nämlichen selbstverständlich souveränen Textzugang - mit jener erstaunlichen „Erzählhaltung“, die Emotionen im Zuhörer zu wecken weiß, ohne dass der Erzähler selber sich all zu tief mit hineinziehen ließe. Dieser geradlinige, technisch präzise, in den Linien aufblühende Gesang stand in reizvollem, wenn auch ein wenig befremdenden Kontrast zu dem sehr weich (um nicht zu sagen „wabbernd“) registrierten Orgelklang.

Dass man „Geistliche Lieder“ Max Regers im Konzert ungefähr gleich oft hört, wie Lieder aus dem „Schemelli’schen Gesangsbuch“ – nämlich kaum einmal – ist schade. Michael Volle und Christian Schmitt haben aus beiden eine kleine kostbare Auswahl präsentiert, die wohl um Grab und Tod kreisen, aber von berührendem Gottvertrauen getragen werden. Ein kostbarer Abend.

Bilder: www.christianschmitt/Jo Schneider; IMG/Winfried Hösle