Wie die Musik wirklich tickt

BACHGESELLSCHFT / CAFÉ ZIMMERMANN

01/03/13 „Sei doch kein Muselmann, der ihn nicht lassen kann“, heißt es im berühmten C-A-F-F-E-E-Kanon, wenig politisch korrekt. Das hat mit Bachs Kaffee-Kantate freilich nichts zu tun, sondern beschreibt nur eine Mode des (übermäßigen) Genusses. Im Leipziger „Café Zimmermann“ sind manche süchtig geworden – nach Musik mindestens so sehr wie nach der Bohne.

Von Reinhard Kriechbaum

Das Lokal, das bis zu 150 Zuhörer aufnehmen konnte, war eine der Wiegen der bürgerlichen Konzertkultur. Telemann war Gründer des „Collegium Musicum“, das dort regelmäßig spielte, Bach leitete es auch – und davon redet man interessanterweise viel seltener als von seiner Tätigkeit als Thomaskantor ein paar Straßen weiter. Dabei war Bach für mehr als fünfhundert Programme dort verantwortlich, also für gut tausend Konzert-Stunden in den Jahren von 1729 bis 1737 und dann nochmal 1739 und 1740. Ach wüssten wir bloß, was er da alles selbst gespielt hat oder das vorwiegend studentische Ensemble hat spielen lassen!

Was das Spezialisten-Ensemble aus Absolventen der Schola Cantorum Basiliensis, das sich unter dem Namen „Café Zimmermann“ zusammengetan hat, am Donnerstag (28.2.) in der Großen Aula hat hören lassen – das könnte so ähnlich wohl in der großen Kaffee-Trinkhalle getönt haben. Fein, dass die Bachgesellschaft für das Salzburg-Debüt dieser Elitetruppe neuerer Alt-Töner gesorgt hat: Das „Café Zimmermann“ hat sich einen Namen gemacht gerade mit der Musik von Bach, dessen Orchesterwerken hat es einige viel beachtete CDs gewidmet.

„Orchestermusik“ – das kann man eigentlich so nicht sagen. Für die Ouvertüre h-Moll BWV 1067 (die auch als „Zweite Orchestersuite“ läuft), hat man sich ebenso für eine solitische Besetzung entschieden wie für ein Cembalokonzert und fürs „Brandenburgische“ Konzert Nr.5. Wie schön die Traversflöte (Diana Baroni) amalgamierte mit den fünf Streichern – wie ein Kontur-Verstärker, wo sie eingebunden ist ins Tutti-Geflecht. Man denkt ans entscheidende Sahne-Häubchen auf dem Kaffee und vielleicht an ein paar Schukolade Krümel darauf: Was kann doch die berühmte „Badinerie“ da für einen gustiösen Anstrich, wenn die Flöten-Figuren wirklich so tändelnd (das meint das Wort) begleitet werden.

Das „Café Zimmermann“ um die Cembalistin Céline Frisch und den Geiger Pablo Valetti ist ziemlich international besetzt, wie in der Szene Alter Musik unterdessen üblich. Aber es gibt ja (gerade wenn die Musiker von der gleichen Ausbildungsstätte, eben aus Basel, kommen) ja einen hohen Grad des stilistischen Common sense. Technisch ist diese Gruppe selbstverständlich auf jenem Level, den internationales Bestehen heutzutage voraussetzt. Was das „Café Zimmermann“ vor anderen auszeichnet, ist das ausgeprägte Klangbewusstsein: Im Cembalokonzert A-Dur BWV 1055 rücken die hohen und tiefen Streicher auffallend weit auseinander – und da hört man so richtig räumlich und effektvoll, wie die Themenmelodie des ersten Satzes vom Kontrabass und Cello gleichsam hinauskatapultiert wird. Solche Feinmechanismen prägten auch die Wiedergabe des Fünften Brandenburgischen Konzerts: Da kommen die Impulse ja vom Tutti-Thema, und wenn sich das Solisten-Trio (Traversflöte, geige, Cembalo) mit ihren harmonischen Schlingerbewegungen immer weiter hinaus schrauben aus den scheinbar „geordneten“ Bahnen üblicher Harmonik, dann wollen sie am Ende wieder eingefangen werden von den Partnern: Unglaublich plastisch, wie das „Café Zimmermann“ solche formalen, architektonischen Voraussetzungen herausarbeitet. Da bekommt man mit, wie die Musik tatsächlich tickt …

Sollte das Cembalo nicht ein wenig stärker hervortreten? Darüber könnte man diskutieren. Das „Café Zimmermann“ hat sich an dem Abend eben als ein echtes „Collegium musicum“ eingeführt, so wie es Bach und seine instrumentalen Mitstreiter damals in Leipzig gebildet haben mochten. Für Überraschungen ist solches Musizieren immer gut: Die berühmte „Air“ als Zugabe, tonlich straff gefasst, eher zügig im Tempo – eben keine Musik zum Träumen, sondern eine solche zum hellwachen Durch-Hören.

Am 23. März offeriert die Bachgesellschaft Dietrich Buxtehudes Passionsmusik „Membra Jesu nostri“, mit dem Collegium Vocale der Bachgesellschaft und dem Originalklangensemble Las Divina Armonia unter Lorenzo Ghielmi. – http://www.salzburger-bachgesellschaft.at
Bild: www.cafe-zimmermann.com