Engel-Einklang um mich her…

UNIVERSITÄT MOZARTEUM / SPÄTHERBSTLICHE SCHUBERTIADE

08/11/11 Immer wieder finden sich im Veranstaltungsprogramm des Mozarteums reizvolle Projekte rund um das „Lied“, das seit Jahren und Jahrzehnten ins Grab gesungen wird und - wie zum Trotz - unsterblich ist.

Von Heidemarie Klabacher

Es muss nicht immer ein Herr im Frack oder eine Dame im Abendkleid sein, die ernsten Sinnes und verinnerlichten Blicks mit einem ergebenen Begleiter am Klavier abstrakte „Liedkunst“ zelebrieren. Die Liederabende der „Großen“ erzählen ja auch längst in dramaturgisch klug zusammengestellten Liedgruppen "richtige" Geschichten vom Menschen und vom Leben - farbiger und bewegender oft als jede Oper. Ein Keenlyside oder ein Gerhaher sind ebenso wenig steife Zelebranten eines aussterbenden Kultes, wie ein Wolfram Rieger oder ein Helmut Deutsch willfährige Diener.

Trotzdem ist es wohltuend, wenn der Begleiter einmal einfach seine Perücke nach dem Sänger wirft.

Diesmal waren es Studierende der Liedklasse von Breda Zakotnik, die im - vollbesetzten „Großen Studio“ - zu einer „Spätherbstlichen Schubertiade“ gebeten haben.

Mittel- oder Wendepunkt des Abends in der Regie von Albert Prommegger waren zwei Sätze aus dem Streichquartett D 810 „Der Tod und das Mädchen“ von Franz Schubert. Es spielte das „Belmonte Quartett“, zu dem sich 2009 die Mozarteums-Studenten Johanna Zaunschirn, Clemens Flieder, Clemens Gordon und Gundula Leitner zusammengeschlossen haben. Die jungen Musikerinnen und Musiker begeisterten mit einer geradezu wild-lebendig phrasierten und urmusikantischen Wiedergabe. Aufregend, wie sie den Variationen des zweites Satzes je eigene Klangfarbe und Stimmung zu verleihen wussten. Viel versprechend!

Eröffnet wurde der Abend mit einem angedeuteten (Wett-)Streit unter Schubertianern der ersten Stunde, bei dem drei Sänger sich gegenseitig immer wieder ins Schiller-Wort und in die Strophen fielen. „Gruppe aus dem Tartarus“ D 583 und „Sehnsucht“ D 636 bekamen so bei allem Textpathos einen lebendigen fröhlichen Touch. Bei „Dithyrambe“ D 801 sang immer je einer der drei Sänger die Strophe, in den Schlussversen vereinigte man sich zu ausgelassener Burschenherrlichkeit: technisch sicher und klangschön gesungen.

Dann freilich begann die Welt sich langsamer zu drehen - mit dem Auftritt von Aco Biscevic, der mit den ersten Worten des Liedes „Im Abendrot“ D 799 der hochgemuten Kraftmeierei sehnsuchtsvolle Tiefe verlieh. Brillante Technik; eiserner Stimmsitz bei geschmeidigster Stimmführung; Wortdeutlichkeit, samt der Fähigkeit, den Textsinn zu vermitteln; vollendeter Vokalausgleich - und was der Kriterien mehr sind: alles vorhanden. Vor allem aber faszinierte das charakteristische Timbre dieser ganz besonderen Stimme.

Aco Biscevic, von der Körpergröße her zufällig der kleinste der vier Sänger, wurde alsbald in die Rolle des Zwerges im Lied D 771 gedrängt und von den anderen gehörig verspottet. Auch hier war die Textverteilung auf mehrere Stimmen überaus reizvoll - und ist von allen Beteiligten bruchlos und wendig gestaltet worden. Der Spott endete im gemeinsamen Gelächter. Und dann krachte effektvoll die Bühnenhinterwand nach unten und gab den weiß maskierten und vermummten Mitgliedern des „Belmonte Quartetts“ Raum.

Vom Titel gebenden Lied „Der Tod und das Mädchen“ D 531 wurde - sehr sicher und mitreißend - nur das Rezitativ gesungen. „Sollst sanft in meinen Armen schlafen“ und die anderen beruhigenden Worte des Todes geisterten zur Musik des Quartetts dann nur mehr durch die Köpfe der Zuhörer. Damit ging es hinüber in jungmädchenhaft-elysische Gefilde, in denen man den schönen jungen Frauenstimmen da und dort doch etwas mehr Erdung in Stimmsitz, Text und Intonation gewünscht hätte. Symbolträchtige Artefakte (Geier, Geige…) erinnerten ein wenig an Karl-Ernst und Ursl Herrmann.

Die dramaturgisch kluge Liedauswahl aber führte in gerader Linie ins Paradies: Zunächst ringt der Lebensfunke noch darum, sich „loszuwinden“ (Sterbender Christ an seine Seele D 59), dann gewinnt die befreite Seele Kraft (Auflösung D 807) und blickt ein letztes Mal zurück auf irdischen Frühling und Vollmondschein (Schwestergruß D 762). Mit dem Auftritt der Damen des Kammerchores der Universität Mozarteum (Leitung Herbert Böck) war das Elysium dann auch in gesanglicher Hinsicht erreicht.

Schöner und lebendiger kann man die Vielgestaltigkeit des „Liedgesanges“ nicht demonstrieren, als es Breda Zakoktnik, die im zweiten Teil persönlich am Klavier begleitete, und ihre Studenten mit dieser „Spätherbstlichen Schubertiade“ getan haben. Das „volle Haus“ sprach Bände der Zustimmung.