Bach für mehr oder weniger Geigen

BACHGESELLSCHAFT / NEO BAROCK

17/10/11 Wenn es stressig wurde und die Stücke für das nächste Konzert noch nicht komponiert waren, hat Johann Sebastian Bach oft einfach bei sich selbst abgeschrieben: Dann hat er, zum Beispiel, ein Konzert für Violine einen Ton tiefer gesetzt und für Cembalo umgebaut. Oder umgekehrt.

Von Heidemarie Klabacher

Solche Werke Bachs „in eigener Bearbeitung“ spielte das Ensemble NeoBarock auf Einladung der Salzburger Bachgesellschaft am Freitag (14.10.) in der Großen Aula: mit Verve und Schwung, stilistisch nach allen Regeln der modernen Aufführungspraxis und Klangrede. Im ersten Teil des Abends tendenziell eher ruppig. Vor allem beim Violinkonzert BWV 1052, welches in den Ecksätzen im Solopart auch noch intonatorisch ziemlich im Freiflug daher gekommen ist.

Hochsensibles musizieren - ebenso ausbalanciert im Klang wie durchdacht in der Phrasierung - ereignete sich dann im zweiten Teil des Abends mit dem Konzert für Viola Streicher und Basso Continuo BWV1053 (bei dem man nicht sicher weiß, für welches Solo-Instrument es Bach ursprünglich geschrieben hat). Maren Ries spielte es jedenfalls mit duftig leichtem, dabei klangvoll timbrereichem Viola-Ton.

Ebenso berührend spielten NeoBarock das Doppelkonzert d-Moll BWV 1043 (von dem es als BWV 1062 auch eine Fassung für zwei Cembali gibt): Fein und schimmernd wie Seidenweberei wirkte das hochkomplexe Klanggewebe. Dabei wurde keineswegs wunschkonzertmäßig Bach "zelebriert": Auch dieser Knüller wurde federnd bewegt gespielt, im Largo sogar eher ungewohnt zügig im Tempo, dafür wundersam leise.

Das Konzert BWV 1058 für Cembalo - virtuos interpretiert von Fritz Siebert - basiert auf dem berühmten Violinkonzert 1041. Hier gefielen in der Lesart von NeoBarock die klangvoll rollenden Bassfiguren im Andante und der elegische Streicherton. Erklungen war noch das Konzert BWV 1064 für - und gespielt von - drei Violinen: Das war (möglicherweise) ein Stück für drei Cembali, das Bach für seine Söhne aus wiederum einem anderen Stück recyelt hat. Experten erkennen Eigenwilligkeiten in der Stimmführung und glauben, auf eine verloren gegangene „Frühfassung“ schließen zu können...

Warum hat man denn nicht wenigstens eines der Werke in beiden Gestalten gespielt? Wenn man schon glaubt, sein Publikum mit einem hochkomplexen „Themenkonzert“ und dem dazugehören Spezialwissen konfrontieren zu müssen -  warum dann nur theoretisch? Bei BWV 1058/1041 wäre das ohne zusätzlichen teuren Cembalo-Transport doch leicht möglich gewesen. Vielleicht hätte für die Cembalo-Fassung von 1043 die Universität Mozarteum unbürokratisch mit einem zweiten Cembalo ausgeholfen? 

Bei den ganz berühmten Werken wäre der direkte Vergleich der Fassungen am spannendsten gewesen. Der Programmhefttext war für hobbymäßige Dechiffrierkünstler ergiebiger, als für Musikfreunde: Man wollte ja doch ganz gern wissen, was jetzt gespielt wird - Original oder Bearbeitung - und der übliche kurze Blick ins Heft reichte an diesem Abend keineswegs. Jedenfalls war den ganzen Abend lang nur ein Cembalo auf der Bühne, was bei der Orientierung hilfreich war.

Bilder: www.neobarock.de