Legende überzeitlich

CAMERATA SALZBURG / PENDERECKI

02/05/11 Krzysztof Penderecki ist mit seiner unvergesslichen Lukas-Passion seit den 60iger-Jahren eine der Ikonen für die neue Musik nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihn in den Mittelpunkt eines Programms zu stellen, sichert der Camerata in jedem Fall erhöhte Aufmerksamkeit, zumal der Komponist am Freitag (29.4.) im Großen Saal des Mozarteums auch als der Dirigent in Erscheinung trat.

Von Erhard Petzel

Zwei Kompositionen von Krzysztof Penderecki füllten den ersten Programmteil: Die Ciaccona in memoria Giovanni Paolo II per archi aus dem Polnischen Requiem stand als relativ neues Werk aus dem Jahre 2005 am Beginn. Die Gesamtkonzeption eines für Soli, Chöre und Orchester besetzten Werkes (1980/1984) hat ihren Ursprung in der Solidarinosc-Bewegung und widmet die einzelnen Sätze wichtigen polnischen Persönlichkeiten. Die Ciaconna ist dort der zwölfte Satz zwischen Sanctus und Agnus, Johannes Paul II. (seelig gesprochen am Wochenende).

Die Ciaconna kommt dann auch etwas überraschend daher. Da hebt ein Thema an, das aus jedem der letzten Jahrhunderte stammen könnte, eine abwärts geführte Leiter, durchbrochen zunächst vom Ausgangston, der im barocken Sinn eine linear geführte Zweistimmigkeit suggeriert. Auch die weitere klangliche Entwicklung gibt keinen Hinweis auf ein Musikstück eines Zeitgenossen. Die Intensivierung des schlicht in sich kreisenden Materials bleibt im Rahmen dessen, was über Romantik nicht hinausgeht. Vielleicht ein Sinnbild für einen Menschen, dessen Botschaft ebenfalls nichts revolutioniert hat, wenn sie auch in immer neuer Intensität durch die Welt getragen wurde und in der Heimat dieses Papstes politische Geschichte schrieb.

Das ändert sich mit dem „Concerto per viola ed archi, percussione e celesta“ aus dem Jahr 1983. Ein Vergnügen der satte Bratschenton von Lawrence Power, womit aus der Keimzelle einer abwärts geführten Sekund allmählich komplexe Strukturen entwickelt werden. Wenn auch zunächst verhalten und elegisch, fungiert der Solopart immer wieder als Anreger und Aufpeitscher für das Orchester und erfüllt in exzessiver Steigerung die Erwartungshaltung an virtuoser Sensation. Liege-, Gleit-, Flageolett-, Triller- und geteilte Töne ergeben das orchestrale Klangspektrum eines Werkes seiner Zeit mit spannender Kontrapunktik und geschmackvollem Wechselspiel zwischen Solisten und dem Orchester in seinen Registern bis zum oktavverstärkten Schluss-Tton.

Nach der Pause die „Italienische“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Diese Sinfonie wirkt immer - und ein Ensemble wie die Camerata wird solcher Schönheit in jedem Fall gerecht werden. Dennoch bleiben Wünsche offen, die wohl auch im Dirigat Penderckis ihren Ursprung haben. Der alte Grand Signeur schlägt ziemlich unbeirrt durch, wo sich Nuancen ausziselieren ließen und wo Feinheiten geschmackvoll ihrer Aufbereitung warteten.

Dieser Durchzug passt gut zum dritten Satz, dessen Klangfarben in den ausgesetzten Register-Konstellationen auch erfüllend kommen. Dem Andante aber fehlen doch etwas Zauber und Geheimnis, das Allegro dürfte mehr pulsieren und im Presto würden die Musiker vielleicht für den einen oder anderen Impuls dankbar gewesen sein. Langer Applaus als Lohn für diesen Abend.