Couch-Potato und Elfmeter-Schuß

MARTIN GRUBINGER / ABSCHIED

23/09/23 Eine Fußball-Wette steckt hinter dem ungewöhnlichen Aufeinandertreffen sehr vertrauter Protagonisten. Spiel und Übershow. Melange aus Musik, Medien und dem gemeinsamen Nenner Sport: Martin Grubinger verfilzt mit Armin Wolf und Peter Filzmaier auf dem Sofa. Im Hintergrund das Percussive Planet Ensemble beim launig-langen Abschied im Festspielhaus.

Von Erhard Petzel

Das Musikprogramm bietet, was den Musikern Spaß macht und bei aller groovenden und klanglichen Komplexität berauschend zu hören ist. Da ist Raum für spektakuläre Soli und wechselnde Ensemblegruppierungen und reizt mit exotischem Instrumentarium: Steps Ahead, Astor Piazolla, Michel Camilo mit Taiko Drumming und Salsa, Ausflüge in Pop und Rock mit virtuos aufgebrezelten Riffs im reißenden Sound der Bigband.

Dass Martin Grubinger Junior als schillerndes Alien ein breites Universum beherrscht, wird sichtbar in seiner Aufnahme ins jüngste Mateschitz-Bulletin. Darin meint er zum Thema harte Arbeit, es sei normal, „ans Limit zu gehen und das Maximum aus sich herauszuholen, um sein Instrument aus einem Schattendasein zu führen und richtig gut zu sein“. Martin Grubingers Grundprinzip: „Ich bin einfach besessen von Qualität.“

Dieser Geist durchwogt auch den Abschieds-Abend am Freitag (22.9.) im Großen Festspielhaus mit lockerer Conference und exzessiver Musik. Dieser Geist durchwogt auch den Abend mit lockerer Conference und exzessiver Musik, dessen Kernthema – die Verwandtschaft aus Spitzensport und Kunstmusik – von durchaus unterschwelliger bis unvermeidbarer politischer Relevanz ist. Der Anlass für eine solche außergewöhnliche Konstellation auf der Bühne? Banal und zufällig, durch die Dynamik von Social Media verstärkt.

Da ist zunächst Grubingers verblüffende Konsequenz. Der Vierzigjährige tritt auf dem Zenit seiner Laufbahn ab, wie lange angekündigt. Ungewöhnlich, da Musikerkarrieren sehr oft beim doppelten Nennwert noch andauern. Verständlich aber beim Vergleich mit Spitzensportlern: Nach einem Vierteljahrhundert Kraftakt wird der Athlet doch müde. Der Sehnsucht nach etwas mehr normalem Leben mit Familie will nachgegangen sein.

Und dann gab es ein Gehachel auf Twitter mit dem Martin Grubinger bis dato unbekannten Peter Filzmaier um den Lieblings-Fußballverein. Der heitere Zank müdete in einer Wette: Bayern besiegte 2020 Barcelona 8:2 und damit Grubinger Filzmaier. Dieser sollte als Wetteinsatz dem Grubinger-Clan aus seinem Sportbuch vorlesen. Als Twitter-Verfolger schaltete sich dann Arnim Wolf als Coach ein und wurde prompt zum Moderator upgegradet. Kulturvereinigungs-Chef Thomas Heißbauerbot daraufhin dem Salzburger Musik-Star und seinem Ensemble diese „Extended Version“ in der Arena Großes Festspielhaus an. Und der Kassenerfolg bewirkte prompt den Folgeabend am Samstag (23.9.) mit kleiner Besetzung als ultimativ letztem Grubiner-Konzert in Salzburg.

Filzmaier, der sich als Sportsmensch mit frustriertem Hang zum Sportreporter entpuppt, liest natürlich nicht vor. Ein so talentierter Unterhalter plaudert vielmehr auf dem Hintergrund seines Werkes. Wolf, dem Sport weniger verfallen, moderiert launig und wird dabei seiner gewohnten Rolle gerecht, indem er den sportlichen Rivalen Löcher in den Bauch fragt, auch um sie gegeneinander zu hetzen zur Hetz des Publikums. Das Duell Grubinger:Filzmaier wird mit einer Draufgabe in Sport-Dressen als Verlängerung auf ein Trainingstor zum Kulminationspunkt getrieben: Grubinger gewinnt auch hier mit einem matten 1:0 (doch ein Fall für die Pension?). Davor räkelt man sich auf dem roten Sofa (Ersatz für einen roten Konzertfaden), philosophiert und kramt in der Anekdotenkiste auf höchst unterhaltsame und beschlagene Art im virtuosen Spiel von Impuls und spannender Erkenntnis aus fokussierter Information. Dazwischen die Auswüchse der Orchester-Maschine. Der Hang im Sport zu Hymnen kommt auch hier zur finalen Ausformung, wenn Martin Grubinger mit Leona Bellington, dem einzigen weiblichen Wesen mit Bühnenauftritt, Fendrichs I Am From Austria mit Publikumsunterstützung intoniert.

Und über und hinter allem der „Chief“, Martin Grubinger Senior. Perkussionisten-Vater, Arrangeur und Komponist, bietet er dem Sohn den Boden zum Abheben und ist als Dirigent nicht weniger hyperaktiv als dieser, wenn er sich mit fast laszivem Hüftschwung in die Bresche wirft und den vertracktesten Rhythmen Paroli bietet. Es ist ein Glück, wie Bildung vererbt wurde und die Generationen harmonieren, hier auch auf Hochschul-Niveau. Generell sollte statt ewigem Gejammere und Fixierung auf Akademikerquote diese Bildungsbindung zum Elternhaus gestärkt und Flexibilität im Bildungserwerb unterstützt werden. Der Sohn setzt hier einen Impuls zur Freude am Musikmachen mit seiner App MyGroove. Damit es immer weiter geht und alle Schichten auf jedem Niveau Erfüllung durch Musik anstreben mögen. Wohl auch dafür kochte der Publikums-Kessel in heller Begeisterung über in einer einzigartigen Mischung der Generationen nach einer unübertrefflichen Konzert-Show. Was für ein fulminanter Abschluss!

Zusatztermin: Martin Grubinger. The Last Concert – Samstag (23.9.) 19 Uhr Großes Festspielhaus – Martin Grubinger und The Percussive Planet – www.kulturvereinigung.com
Bilder: ebihara photography