Eine Meeres-Symphonie

UNIVERSITÄT MOZARTEUM / SALZBURG / DRESDEN

02/05/23 Hoch gegriffen und gewonnen hat das „Department für Dirigieren, Chordirigieren und Blasoerchesterleitung” der Universität Mozarteum mit einem Konzert im Rahmen der Städtepartnerschaft zwischen Salzburg und Dresden. Besungen wurden das Meer, seine Schönheit und seine Schrecken.

Von Gottfried Franz Kasparek

Unter der anfeuernden, kundigen und kapellmeisterlich souveränen Leitung von Jörn Andresen vereinigten sich unter der Kuppel des Salzburger Doms der Dresdner Unichor, der Mozarteum Unichor und das Mozarteum vocalEnsemble mit dem Akademieorchester Universität Mozarteum zu einem wahren Großprojekt. Die Matinee am Sonntag (1.5.) begann mit einer Aufführung des Canticum calamitatis maritimae für Chor a cappella des finnischen Zeitgenossen Jaakko Mäntijärvi, Dieser meditative, im Grunde pentatonische Trauergesang, beruhend auf dem Lied Näher mein Gott zu Dir, entstand nach der Fährenkatastrophe der „Estonia” im Jahr 1994. Fein ziselierte Chromatik trifft auf meist geflüsterten Sprechgesang.

Pausenlos auf die zehnminütige Klage folgten siebzig Minuten prachtvollster britischer Romantik: A Sea Symphony, die erste von neun, allesamt spielenswerten Symphonien von Ralph Vaughan Williams, uraufgeführt 1913 in Leeds. Auch dieses monumentale Werk nennt Mäntijärvi übrigens als Inspirationsquelle. Vaughan Williams, ein wahrer Gentleman unter den Komponisten, hat seine Eigenart aus einer geglückten Verschmelzung kontinentaler Einflüsse, vor allem solcher Wagners und Debussys, mit dem wundersamen britischen Volksliedton gewonnen.

Glanzvoll instrumentieren konnte er wie alle seine namhaften Zeitgenossen auf beiden Seiten des Ärmelkanals. Hinter der Meeressymphonie steht natürlich auch die große Tradition des englischen Oratoriums, obwohl hier eine klassische symphonische Struktur in vier Sätzen vorherrscht. Gesungen wird fast durchgehend auf sprachgewaltige Meeres-Gedichte des US-Amerikaners Walt Whitman. Menschlicher Forschergeist und der „Gott aller Meere” werden beschworen. Der Komponist, Anglikaner mit starker pantheistischer Neigung, konnte seine Begabung zu bildkräftiger Naturmalerei dabei ebenso ausleben wie die zu unorthodoxer Religiosität.

Die Chor- und Orchestermassen bewältigten das Werk glorios. Dennoch würde man es gerne in der Felsenreitschule ohne allzu viel Nachklang wiederhören. So atmospärisch der barocke Dom auch ist, so grenzwertig ist er akustisch, besonders für spätromantischen Klangzauber. Umso bewundernswerter, wie gut sich die beiden Solostimmen, die nahezu vibratofrei leuchtende der Sopranistin Donata Meyer-Kranixfeld und das edle Timbre des Baritons Sergej Korotenko, durchsetzen konnten. Großer Jubel im gut gefüllten Dom.

Eine Anmerkung, die sein muss: Das ansonsten gut gemachte Programmheft kann sich nicht dafür entscheiden, ob zwischen Vaughan und Williams ein Bindestrich gehört oder nicht. Gehört nicht. Und Hauptsache, es gibt ein englisches, neues, tiefschwarzes Trauer-Logo der bekanntlich im deutschsprachigen Österreich befindlichen Musik-Universität mit dem Text mozarteum university und einem dicken Punkt, welches geradezu verstörend wirkt in seiner plumpen Ideenlosigkeit und falsch verstandenen Internationalität. Musik hat Farben und spricht die Sinne an, gerade auch die hierzulande zu selten zu hörende britische.

Bilder: Michael Klimt