Nostalgie und Visionen

70 JAHRE CAMERATA / FESTKONZERT

14/11/22 Mit ihrem Saisonauftakt feierte die Camerata Salzurg zugleich das Fest ihres siebzigjährigen Bestehens: Anno 1952 spielte die „Camerata Academica Salzburg“ ihre ersten Konzerte, schon damals im Großen Saal des Mozarteums.

Von Horst Reischenböck

Zum Einstieg in Wolfgang Amadé Mozarts kurzweilige Sinfonie D-Dur KV 181 wurde der Camerata-Gründer Bernhard Paumgartner in Bild und Ton projiziert mit seiner damaligen Werkeinführung, bevor er den Auftakt gab... Interessant übrigens, dass sich der Duktus seiner Interpretation kaum von der heutigen unterschied. Nahtlos der Übergang vom Historischen ins spritzige Spiel der Gegenwart. Nur dass Karl Fischer an den Pauken etwas zu vordergründig akzentuierte. Größere Differenzen zeitigte dann der Vergleich mit Sándor Véghs Auffassung der Sinfonie g-Moll KV 183, bei dem der gefühlvoll artikulierende Matthias Bäcker sein Oboen-Solo im Andante an die Vorgabe aus früheren Tagen annähern musste. Sprich: Im langsamen Satz der „kleinen g-Moll“ wurde in einem eingespielten Mitschnitt unter Végh der frühere Oboist projeziert und der jetzige spielte mit. Eine reizvolle Idee.

Eine Anmerkung sei jedoch gestattet: Die aus den Lautsprechern herausquellende Tonwiedergabe trübte den Eindruck und war schlichtweg eine Zumutung für alle Ohren! Derart grottenschlecht hat die Camerata nie geklungen – das weiß ich aus langjährig eigener Erfahrung heraus und an Hand ihrer Aufnahmen, abgesehen vom unmittelbaren Vergleich im Konzert. Hat sich niemand vorneweg der Mühe unterzogen, zumindest die Lautstärke anzunähern? Das tat der Feststimmung jedoch keinen Abbruch, die der anschließende Programmpunkt wieder einrenkte: Sir Roger Norrington, der längst den Taktstock aus der Hand legte, stellte seine Grußworte via Video vor György Ligetis Concerto Românesc.

Ligetis hundertster Geburtstag steht nächstes Jahr an, und das Werk bot nicht nur die gedankliche Querverbindung zu Sándor Véghs Herkunft, sondern bewies einmal mehr, wie grandios das Camerata-Kollektiv unmittelbar in Zeitgenössisches wechselnd solchem genauso ebenbürtig begegnet. Virtuos und souverän angeführt durch Konzertmeister Gregory Ahss, der den ersten Teil des Abends verantwortete.

Kollege Konzertmeister Giovanni Guzzo lenkte, nach gesponserter Sekt-Pause, den Blick auf ein zukünftiges Projekt mit dem Werk des Wunderkindes der Romantik, Felix Mendelssohn-Bartholdy. Seine 13. Sinfonie, offiziell als Symphonie Nr. 1 c-Moll op. 11 veröffentlicht, war dazu den Auftakt. Gespielt wurde die Zweitversion. Also mit dem – nachträglich mit Bläsersatz aufgemöbelten – Scherzo aus dem Streicheroktetts op. 20. Dessen Feen-Atmosphäre innerhalb der rechtens dramatisch aufgeheizten Stimmung der vehement pulsierenden Ecksätze mutet dennoch wie ein Fremdkörper an. Der Vergleich machte sicher. Denn als Zugabe wurde das originale, weitaus energischere (mit der schon damals ironisch anmutenden Bezeichnung) Minuetto nachgereicht. Langanhaltend bejubelt.  

Noch vor der freundlichen Überraschung, gab's zum allerersten Beginn eine Art Schock: Eine lautstark blökenden Frauenstimme vom Band fordert zum – eigentlich selbstverständlichen – Verzicht auf Handy-Benutzung und Ton- und  Bildaufzeichnung. Hoffentlich wird die Stiftung das ändernm. Dann war die erste halbe Stunde verbaler Retrospektive Camerata-Präsident Wolfgang Daure und Geschäftsführer Andreas Bräunig vorbehalten. Nachdem auch die anwesenden Politiker ihre Glückwünsche formuliert hatten, kam dann endlich auch die Musik zu ihrem Recht. Wie eigentlich nicht anders zu erwarten, wie oben beschrieben, mit dem Kern-Repertoire der Camerata, dem Genius loci. Langanhaltender Jubel zum Siebziger.

Die Spielzeit der Camerata Salzburg 2022/23 - www.camerata.at
Bilder: CS / Erika Mayer
Zum dpk-Bericht 70 Jahre Camerata Salzburg
... und kein bißchen leise