asdf
 

Mozart – wie noch nie gehört

MOZART+FEST / IL RE PASTORE

21/10/22 Mit Christina Pluhar und dem Ensemble L’Arpeggiata begann am Donnerstag (20.10.) das Fest zur Eröffnung des raffiniert zwischen die alten Bauteile hineingehängten neuen Glasfoyers im Mozarteum – und mit Il re Pastore die Sprengung aller bisherigen Mozart-Erfahrung.

Von Heidemarie Klabacher

Der Kaiser will Gutes tun. Er will die beiden jungen Männer zu Königen und glücklichen Ehemännern machen, ordnet nur versehentlich die künftigen Königinnen falsch zu. Verzweiflung. Zorn. Loyalität. Treue. Elf Arien später ist alles eingerenkt. – Nur steht alle bisherige Mozart-Erfahrung Kopf.

Frisch und frech. Abgründig in der Dramatik des Blech- und lieblich im Tirillieren des Holzbläsersatzes. Die Wendigkeit der blitzartigen Stimmungswechsel spricht zwar für für Zauberei, aber das können andere Originalklang-Experten auch. Doch Christina Pluhar und L’Arpeggiata haben im Großen Saal einen Meilenstein der Mozart-Interpretation gesetzt. Präsenz. Lebendigkeit. Präzsion, Kraft und Selbstverständlichkeit des Zugriffs schlagen aus den Noten Funken puren Lebens. Man soll ja in der Musikkritik nicht übertreiben, aber der Gedanke Kompositionsgenie trifft Interpretationsgenie hat sich noch nie zuvor aufgedrängt.

Die Serenata in zwei Akten Il re Pastore KV 208 aus 1775 – vom neunzehnjährigen Mozart für den fürsterzbischöflichen Salzburger Hof geschrieben als Huldigung für den durchreisenden Erzherzog Maximilian, den jüngsten Sohn Kaiserin Maria Theresias – ließ alles historische Gewand fallen und erzählte vom Leben selbst und zu jeder Zeit! Die überragende Leistung von Christina Pluhar und L’Arpeggiata fand ihre kongeniale Entsprechung in den stupenden Performances der Vokalisten. Die Dialog-Rezitative, spritzig, wendig, heutig gesungen - wie im rasanten Gespräch auf der Straße oder im Park, mit oder ohne Spritzer. Virtuos federnde pfeffernde Impulse vom Continuo.

Mark Milhofer war kurzfristig für den erkrankten Rolando Villazón als Alessandro eingesprungen. Mark Milhofer legt als Alexander der Große einen Herrscher hin, dem man huldigen muss: Machtvoll, bei großer Herzensgüte, ist dieser Tenor, dabei wendig in allen Lagen.

Schlank und klangfarbenreich zieht er stimmliche Triumphbögen in den Raum. Einmal umranken seine milde Stimmung von Orchester her derart liebliche Holzbläser-Figuren, dass man an den ewigen Maiglöckleinduft denkt, der später König Artus umschwebt...

Emöke Baráth in der Hosenrolle des unerkannt als Hirte lebender künftiger König von Sidon hat mit dieser Partie den unvergleichlichen Bonus der Arie des Aminta L’amerò, sarò costante. Eine bliebte Matineen-Arie mit Sologeige. So facettenreich Mozart in diesem Rondo das Thema unverbrüchlicher Treueschwüre variiert, so facettenreich gestaltete die Sopranistin Emöke Baráth diesen emotionalen Reigen auf dem Vulkan. Der frisch herausgeputze Große Saal und das neue gläserne Foyer daneben bestanden angesichts des tosenden Zwischenjubels ihre erste Bewährungsprobe.

Als Amintas Geliebte Elisa brillierte mit staunenswert geschmeidigen und wohlgerundeten Koloraturen Elena Sancho Pereg. Pures Glück – und einmal heftigen Zorn – verbreitete Tamara Ivaniš als Tamiris. Deren Geliebter ist Agenore, ein Freund Alexanders des Großen, gesungen von Zachary Wilder.

Dieser Tenor, samtig souverän, veranlasst nicht zum Kniefall, sondern einfach zum Wegschmelzen. Seine zweite Arie (alle Beteiligten haben je zwei Arien, nur der König hat drei) ist allerdings von einer – stupend vermittelten –Dramatik, die auch in einer „großen“ Oper jede Wendung herbeiführen könnte. Die Blechbläser in dieser Nummer könnten auch einen Don Giovanni zur Hölle geleiten.

Wenn man bedenkt, dass es in „Der König als Hirte“, diesem Huldigungsstück für einen Kaiserinnenspross, um nichts als einen kleinen Irrtum des Herrschers geht, staunt man über die emotionale Tiefe, die Mozart den Figuren verliehen hat. Und man dankt den Protagonisten dieses unvergleichlichen Abends für ihre betörenden klingenden und so unglaublich heutigen Porträts.

Mozart+Fest – bis Sonntag (23.10.) – mozarteum.at/mozartfest
Bilder: dpk-klaba
  Zum Vorbreicht Und jetzt: Vier Tage feiern
Zur Reportage Nun noch eine gemeinsame Hausnummer!
Zur Hintergrund-Geschichte Weiter geht's mit dem Großen Saal...
 

 

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014