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Überspanntheit als Stil

ARS ANTIQUA AUSTRIA / NEUER ZYKLUS

22/11/21 Am letzten Vor-Lockdwon-Vormittag baten das Ensemble Ars Antiqua Austria und die Sopranistin Maria Ladurner unter der Leitung von Gunar Letzbor in den Kuenburgsaal des Salzburg Museums zur Matinee mit höfischer Barockmusik.

Von Erhard Petzel

Die erste Assoziation bleibt das Ensemble seinem Namen schuldig. Nicht Pariser Schule oder sonstiges Mittelalter – Ars Antiqua eben – sondern barocke Musik am barocken Kaiserhof ist Thema. Im Zentrum des ersten Konzerts des neuen Zyklus im Salzburg Museum standen drei galante Kantaten von Francesco Bartolomeo Conti. Unter Leopold I. als Theorbist nach Wien geholt, wurde Conti dort später Nachfolger von Johann Joseph Fux als Hofkomponist. Dazu kamen zwei in Ort und Zeit passende Klavier-Einschübe mit Gottlieb Muffats Toccata TertiaCapriccio tertio a-Moll und Franz Anton Hugls Prelude sexti Toni Fuga ex B.

Ars Antiqua Austria versteht sich als ein Ensemble für neue Barockmusik. Für das Konzert am Sonntag (21.11.) orientierte es sich an den am Kaiserhof gebräuchlichen Akademien des Adels, der laut Gunar Letzbor (Leitung und Violine) unter sich geblieben sei mit dem Bedürfnis, „Franzosen- wie Türkenkriege und Pest zu verdrängen“. Vielleicht ein Hinweis mit Schlüsselfunktion zum Verständnis der heute etwas fremd anmutenden bukolischen Haltung der Cantate del Amore: Gehobener Eskapismus einer elitären, musikalisch kompetent dilettierenden Elite als kultureller Ausdruck. Das Continuo fiel mit wahlweise Orgel oder Cembalo (Erich Traxler), Cello (Peter Trefflinger) und Theorbe (Hubert Hoffmann) dominant und bassbetont aus – heutigen Schlagern vergleichbar.

Das führt zu einer bevorzugten Grundhaltung mit Drive, sodass es rhythmisch knallt und auch dort, wo lyrische Zurücknahme klanglich umgesetzt wird, eine direkte Zugriffsweise bestehen bleibt. Zieht man die homogene Struktur der Kantaten in Betracht, deren Reiz in formal mit speziellen Ideen lockenden Varianten aufgespürt werden kann, so ergibt sich vielleicht ein gar nicht so abwegiger Vergleich mit dem, was von verschiedenen Fangemeinden in ihren Blasen beispielsweise auf Youtube gehört wird. Damals wie heute triebe demnach auf dem Ensemblekern die Attitüde einer letztlich beliebigen Aussage zu einer gemeinsam verstandenen und miteinander geteilten Inszenierung, die stark in den Gefühlshabitus der eigenen Lebenswelt implementiert wird.

Star ist die attraktive Sängerin als Trägerin der Gefühlsbotschaft und Medium der gemeinsamen Inszenierung. Maria Ladurner begibt sich in die Pose der Primadonna ohne Konkurrenz, Arien und Rezitative ohne merkliche epische Entwicklung bestreitend im Wechselspiel der Instrumente, wobei alle Ausführenden auch Kommunikationspartner bilden. Erhabene Verzierungen veredeln die Koloraturen der Da capo Arien, lebendig strahlt die Stimme unbekümmert des in seinen Dimensionen überschaubaren Raumes. Zum speziellen Klang kommen aber in diesem Zeitabschnitt zwei beliebte Instrumente als Melodie gebende Partner: Markus Springer unterstützt die Arie Ride il prato mit Tenorblockflöte, Con più luci di candori und Vaghi augeletti mit einem Chalumeau. Der Vorläufer zur Klarinette in der Größe einer Sopranflöte ist eine Lage tiefer als eine solche und erinnert klanglich zudem etwas an den strahlenden Ton eines Zinks. Hier wird die Lieblichkeit der pastoralen Szenerien Ereignis.

Erich Traxler wechselt eifrig zwischen Portativ und Cembalo, auch wenn er solo am durchgehenden Stück werkt. Ob der Wechsel bezüglich Toneigenschaft und Klangqualität dem Charakter des jeweiligen Werkteils gerecht wird oder eher die Hörhaltung irritiert, mag individuell entschieden werden. Die Kantaten profitieren von den differenzierten Klang-Möglichkeiten, bietet die Orgel doch andere Farben für Landschaftsmalerei mit Vogelzwitschern und Windhauch als das Cembalo, das man dafür in einem ordentlichen Secco-Rezitativ erwartet. 

Adoration des geliebten Wesens, Liebe als Naturzustand im Kunst-Design. Überspanntheit als Stil. Dass der barocke Mensch uns in seinem Spiegel reflektiert, mag nicht die schlechteste Erfahrung und damit ein weiteres Benefit der Aufführung sein. Mit einem guten Dutzend Personen war der Publikumsraum zwar nicht wirklich überfüllt, wirkte aber auch nicht trostlos verlassen. Prasselnder Beifall entfachte die feuriger Glut, aus der sich die erdige Arie des Engels aus Contis Vertonung des Martyriums des Heiligen Lorenz als Draufgabe erhob.

Mit dem Zyklus im Kuenburgsaal des Salzburg Museums geht es - hoffentlich ungestört - weiter am 6. März 2022 - www.ars-antiqua-austria.com
Bilder: Oliviero Mazzaretto / Mira Letzbor
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